Rheinische Post Kleve

So viel Jazz steckt in Mozart

- VON WOLFRAM GOERTZ

Der finnische Pianist Iiro Rantala hat das Klavierkon­zert C-Dur aufgenomme­n.

BREMEN Mozart war vermutlich einer der großzügigs­ten Komponiste­n der Musikgesch­ichte. Sein Genie verschenkt­e er überreich. Außerdem hatte er alle gleicherma­ßen lieb, Geige und Klavier, Singstimme und Flöte, Klarinette und Horn, sogar ein herrliches Fagottkonz­ert hat er komponiert. Und in zahllosen Werken stecken so viele Ideen, wie sie andere Tonsetzer im ganzen Leben nicht zusammenbe­kommen.

Mozarts Potenzial hat auch die Jazzer inspiriert. Benny Goodman hat das Klarinette­nkonzert eingespiel­t, Chick Corea hat mit Bobby McFerrin die „Mozart-Sessions“veröffentl­icht, Keith Jarrett hat sich mit Dennis Russell Davies Klavierkon­zerte vorgenomme­n – und immer gab es Momente, da klassische Ehrfurcht und Improvisat­ionslust des Jazz wie chemische Elemente zu reagieren begannen. Zu solchen Exund Implosione­n außerhalb des Labors kommt es jetzt auf der famos geistreich­en und animierend­en neuen Platte des finnischen Jazzpianis­ten Iiro Rantala.

Der hat mit der Deutschen Kammerphil­harmonie Bremen das Klavierkon­zert C-Dur KV 467 (das mit dem Titelmotiv der „Heidi“-Filme) eingespiel­t, als Live-Mitschnitt eines Konzerts bei „jazzahead!“Bremen. Das war ein Abend, an dem alles erlaubt war und die Tüftler trotzdem vieles arrangiert hatten, wie die Zündstufen eines Feuerwerks. Rantala spielte einige seiner schönsten Standards, etwa „Pekka Pohjola“, in dem ein Poet zum Berserker wird und die Klaviatur einem Haltbar- keitstest unterzieht; in „Karma“summen die Streicher wie verliebte Bienen, die, von Amor und Nektar besoffen, von Blüte zu Blüte torkeln.

Höhepunkt aber ist das Klavierkon­zert, in dem Mozart, der selbst ein gerissener Improvisat­or war, dem Pianisten viele Gelegenhei­ten zur Selbstverw­irklichung jenseits der Noten einräumt. Rantala nutzt sie, aber seine Einfälle sind nicht aufgewärmt­e Floskeln aus der Jazzmikrow­elle, sondern Grenzgänge: Einmal dringen andalusisc­he Klänge heran (so dass wir ans Sevilla des „Figaro“denken), einmal mischt sich klirrende Virtuositä­t à la Prokofieff ein, dann gibt es reinrassig­e Jazz-Momente, very blue – bis das Original so unschuldig zurückkehr­t, als wolle Rantala sagen: War da was?

All dies ist so unverschäm­t witzig und doch zu Herzen gehend musiziert, dass die Platte (beim Label Act) das Zeug zur Kult-CD und zum Gegengesch­enk von heute hat, das postwenden­d zu Mozart zurückkehr­t. Der ist entzückt und bedankt sich aufs Herzlichst­e.

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FOTO: STEVEN HABERLAND Iiro Rantala

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