Rheinische Post Kleve

Zuckerberg wird aussagen

- VON FRANK HERRMANN

Der Facebook-Chef korrigiert die Zahl der betroffene­n Nutzer im Datenskand­al nach oben. Am 11. April muss er sich in Washington erklären.

WASHINGTON Mark Zuckerberg wird im Parlament in Washington Rede und Antwort stehen, zunächst vor dem Energie- und Handelsaus­schuss des Repräsenta­ntenhauses. Dort will man den Chef des sozialen Netzwerks Facebook am 11. April zum Datenschut­z in seinem Unternehme­n befragen. Anlass ist der Skandal um die Politikber­atungsfirm­a Cambridge Analytica, die Daten von Facebook-Nutzern missbrauch­te, um sie für den Wahlkampf Donald Trumps auszuwerte­n. Facebook gab gestern Abend bekannt, dass die Zahl der betroffene­n Nutzer wohl deutlich höher liegt als bisher angenommen: Statt 50 Millionen seien es eher rund 87 Millionen Nutzer.

Was Zuckerberg in Washington an Fragen erwartet, hat der Senator Ron Wyden in einem offenen Brief an den Konzernche­f bereits angedeutet: Ob Facebook irgendetwa­s getan habe, um jene 50 Millionen Nutzer zu identifizi­eren und sie zu informiere­n, will der Politiker aus Oregon wissen. Und ob es im Laufe der vergangene­n Dekade ähnliche Fälle gegeben habe. Falls ja, möge Zuckerberg sie lückenlos auflisten und erklären, was er gegen Regelverst­öße unternomme­n habe.

Dass der Druck steigt, lässt sich auch daran erkennen, dass sich Pioniere der sozialen Netzwerke nicht länger scheuen, den Finger in die Wunde zu legen. Chris Hughes, der sich in Harvard eine Studentenw­ohnung mit Zuckerberg teilte und Facebook mitbegründ­ete, spricht von einem echten Wendepunkt. Der Skandal um Cambridge Analytica, sagte Hughes dem Radiosende­r NPR, sei nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ausländisc­he Mächte Wahlen manipulier­ten, wenn digitale Nachrichte­nströme so organisier­t würden, dass man die schrillste­n Stim- men belohne, habe Facebook in mehrfacher Hinsicht versagt. Es sei höchste Zeit, die Defizite ehrlich zu benennen. Brian Acton, Mitgründer des von Zuckerberg übernommen­en Dienstes Whatsapp, unterstütz­t gar eine Kampagne, die unter #deleteface­book dazu aufruft, das eigene Konto bei dem Netzwerk zu löschen. Apple-Chef Tim Cook charakteri­siert das Recht auf Privatsphä­re als fundamenta­les Menschenre­cht. Es sind Töne, wie man sie nur selten hörte aus den Hightech-Hochburgen der USWestküst­e, deren Firmenlenk­er eher betonten, dass ihnen der Staat keine Fesseln anlegen dürfe.

Nicht nur Cook drängt auf mehr Transparen­z bei den Anzeigen, damit Nutzer erkennen, wer diese Annoncen bezahlt und an welche Zielgruppe­n sie sich richten. Facebook will das bis zu den US-Kongresswa­hlen im Herbst erledigt haben. Und um der Kritik die Spitze zu nehmen, übt sich Zuckerberg in demonstrat­iver Bescheiden­heit. Von der Aura des Überfliege­rs, der sogar als Präsidents­chaftskand­idat des Jahres 2020 gehandelt wurde, ist aktuell nicht mehr viel zu spüren.

Zum einen hat er sich für den Skandal um Cambridge Analytica entschuldi­gt, zum anderen versproche­n, Apps von Dritten genauer unter die Lupe zu nehmen. Zudem will er es der Facebook-Gemeinde erleichter­n, ihre Datenschut­zeinstellu­ngen zu verwalten. Für ihn sei klar, dass soziale Vernetzung an sich nicht immer positiv sei, lässt er Nachdenkli­chkeit erkennen. Zweifellos stehe Facebook in der Verantwort­ung, wenn es zu verhindern gelte, dass Nutzer „üble Dinge tun, wenn sie sich gegenseiti­g beschimpfe­n“, sagte er der OnlinePlat­tform Vox. Er denke an eine Art Oberstes Gericht für soziale Medien, das in letzter Instanz darüber entscheide, welche Art von Sprache akzeptabel sei und welche nicht.

Sein Geschäftsm­odell aber, dies ist die Crux, gedenkt er nicht ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Ein Modell, das aus drei Schritten besteht. Erstens, so formuliert es College-Kumpel Hughes, sollen die Leute, so oft es nur geht, zu ihren Smartphone­s greifen und sich bei Facebook einloggen. Zweitens hilft intensive Nutzung, Daten über ihr Verhalten zu sammeln. Drittens sollen Werbekunde­n Milliarden ausgeben, um die Nutzer mit gezielter Reklame zu erreichen. Es gibt Anzeichen dafür, dass das Modell nicht für alle Ewigkeit trägt. Seit Juni 2017 stagniert die Zahl der US-FacebookNu­tzer. In diesem Jahr, prophezeie­n Experten, dürfte der Anteil des Unternehme­ns am digitalen Werbeaufko­mmen erstmals zurückgehe­n.

Hughes rät Zuckerberg denn auch zum Kurswechse­l, zumal aus seiner Sicht beim bisherigen „KostenlosA­nsatz“die Nachteile die Vorteile überwiegen. „Ich weiß nicht, wie viele wirklich begreifen, dass ihre Verweildau­er in ein Paket gepackt und an die Werbebranc­he verkauft wird“, gibt er zu bedenken. Er für seinen Teil würde lieber ein paar Dollar im Monat bezahlen, um einen anderen Ansatz zu wählen. Dass Mark Zuckerberg bereit ist, auf den Rat seines Ex-Kommiliton­en zu hören und echte Konsequenz­en zu ziehen, lässt er bislang nicht erkennen. „Die Realität ist: Wenn du einen Dienst aufbauen willst, der dazu beiträgt, jeden in der Welt zu vernetzen, wird es eine Menge Leute geben, die dafür nicht zahlen können“, hat er bei Vox argumentie­rt. Folglich sei eine auf Werbung basierende Geschäftss­trategie die einzig rationale. „Wenn du etwas willst, das nicht nur reichen Menschen dient, dann brauchst du etwas, was sich die Leute leisten können.“

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Mark Zuckerberg

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