Rheinische Post Kleve

Das Böse unter dem Helm

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N FOTO: CORBIS/GETTY IMAGES.

Im Mai steht Lance Armstrong vor Gericht. Es geht um Schadeners­atzansprüc­he gegen den größten Dopingsünd­er des Radsports in zweistelli­ger Millionenh­öhe. Der Prozess rückt so das dunkelste Kapitel der Sportart wieder in den Fokus.

DÜSSELDORF Am Dienstag vergangene­r Woche sagte Lance Armstrong dann doch ab. Drei Tage, bevor er bei der Flandern-Rundfahrt vorbeischa­uen sollte. Der 46-jährige US-Amerikaner sollte am Karfreitag im Zielort Oudenaarde als Redner auftreten und auch beim Rennen am Ostersonnt­ag vor Ort sein. Doch eine „private Familienan­gelegenhei­t“zwang ihn dazu, im heimischen Texas zu bleiben. David Lappartien­t, Präsident des Weltradspo­rtverbande­s UCI, hatte seinen Besuch bei dem Klassiker bereits zuvor abgesagt – weil Armstrong eingeladen war. „Wir wollen für einen sauberen Sport werben, und Armstrong ist kein Symbol dessen“, sagte der Franzose der belgischen Zeitung „Het Nieuwsblad“.

Da war er also wieder auf der Bildfläche: Lance Armstrong, der AntiHeld des Radsports. Das Böse unter dem Helm. Die personifiz­ierte Erinnerung an das dunkelste Dopingkapi­tel dieser Sportart. Daran, wie aus dem Märchen eines geheilten Krebspatie­nten die Horrorgesc­hichte eines skrupellos­en Betrügers wurde. Sieben Mal gewann Armstrong die Tour de France, alle sieben Siege wurden ihm 2012 wegen Dopings aberkannt. Er wurde von der US-Anti-Dopingbehö­rde lebenslang gesperrt. Und der Radsport selbst würde den Mann aus Austin am liebsten auch lebenslang aus der Öffentlich­keit verbannen.

Doch ab Mai wird Armstrong wieder verstärkt in der Öffentlich­keit auftauchen: In Washington steht er in einem Millionen-Prozess vor Gericht. Sein einstiger Teamsponso­r US Postal fordert Sponsoreng­elder in Höhe von umgerechne­t 24 Millionen Euro von Armstrong zurück, weil der ja gedopt und damit den Geldgeber betrogen habe. Er selbst streitet alles ab, verweist im Gegenzug auf seinen damaligen Werbe- wert für US Postal. Befinden die Geschworen­en Armstrong für schuldig, droht ihm als Zahlung sogar das Dreifache der geforderte­n Summe. Nach Schätzunge­n des Mediendien­stes „Bloomberg“beliefen sich Armstrongs Einnahmen aus seiner aktiven Zeit übrigens auf umgerechne­t 178 Millionen Euro.

Es ist für viele ein Prozess, in dem es keinen Gewinner geben kann. Armstrong könnte es sein Vermögen kosten, US Postal bliebe trotzdem der Imageschad­en erhalten, den größten Betrüger des Radsports jahrelang gefördert zu haben. Und der Radsport selbst bekommt mit jeder Meldung aus dem Gerichtsge­bäude Schlagzeil­en, die er nicht lesen will und gebrauchen kann beim Versuch, sich nachhaltig wieder als saubere Sportart zu etablieren.

Denn sauber ist nicht der Begriff, mit dem sich der Fall Armstrong beschreibe­n lässt. Er hat nicht nur den Radsport selbst betrogen, die Fans, die Konkurrent­en, die es ohne leistungss­teigernde Mittel versucht hatten. Er versucht auch, möglichst unbeschade­t durch die seit Jahren andauernde rechtliche Aufarbeitu­ng seines Falls zu kommen. Als die Beweislast vor allem durch Aussagen ehemaliger Teamkolleg­en wie Floyd Landis oder Tylor Hamilton zu erdrückend geworden war und er bereits lebenslang gesperrt war, da gestand Armstrong im Januar 2013 in der TV-Show „Oprah Winfrey“seine Dopingverg­ehen. Doch seitdem brach er gleich mehrere USGesetze, er schwor sogar einen Meineid, der inzwischen allerdings verjährt ist. Er entkam knapp einer Anklage wegen Betrugs, illegaler Zeugenbeei­nflussung und Verstößen gegen das Arzneimitt­elgesetz.

Armstrong bevorzugt die Verteidigu­ngsstrateg­ie vieler überführte­r Doper. Diese besteht aus fünf Teilen: erstens, dem Abstreiten eigener Verfehlung­en. Zweitens, dem Verweis darauf, dass andere auch nicht besser waren. Drittens, dem Vorwurf an alle Ankläger, sie hätten wissen müssen, was da lief. Viertens, dem Verschlepp­en der Vorwürfe. Und fünftens, dem Hinweis, mittlerwei­le ein besserer Mensch geworden zu sein. So betreibt Armstrong einen eigenen Podcast, in dem er Interviews mit Persönlich­keiten aus Sport, Kultur, Wirtschaft und Politik führt. Er gibt sich verändert. Verbessert. Nicht geläutert.

Armstrongs Kalkül, in der Öffentlich­keit zumindest teilweise rehabiliti­ert zu werden, ist keineswegs unbegründe­t. Denn so wie Jan Ullrich weiß auch er nach wie vor viele Fans hinter sich, die seine Erfolge durch Doping nicht geschmäler­t wissen wollen. Wouter Vandenhaut­e zählt offensicht­lich dazu. Der Organisati­ons-Chef der Flandern-Rundfahrt sagte im Dezember: „Lance Armstrong ist und bleibt ein großartige­r Champion. Was mich betrifft, ist er herzlich willkommen.“

 ??  ?? Lance Armstrong, der Radprofi – fotografie­rt am 6. September 2008 beim Training in seiner Heimatstad­t Austin, im US-Bundesstaa­t Texas.
Lance Armstrong, der Radprofi – fotografie­rt am 6. September 2008 beim Training in seiner Heimatstad­t Austin, im US-Bundesstaa­t Texas.

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