Rheinische Post Kleve

Grundschul-Rektoren in Teilzeit

- VON KIRSTEN BIALDIGA

In einem Test können sich Leiter von Grundschul­en in NRW ihre Stelle teilen. Das Land kämpft gegen die Personalno­t.

DÜSSELDORF Grundschul-Rektoren in Nordrhein-Westfalen können sich künftig eine Stelle teilen. Einen entspreche­nden Pilotversu­ch startet NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP), um den Mangel an Schulleite­rn zu bekämpfen – zurzeit ist etwa jede siebte Stelle unbesetzt. „Damit darf niemand zufrieden sein; jede einzelne unbesetzte Leitungsst­elle stellt für die Schulen eine große Belastung dar“, sagte Gebauer.

Aktuell sind 707 Direktoren­stellen an den 5105 öffentlich­en Schulen in NRW vakant. Besonders stark betroffen sind Haupt- und Real-, aber auch Grundschul­en: Hier liegt die Besetzungs­quote nach Angaben des Schulminis­teriums bei 87,15 Prozent. Noch größer ist der Mangel an Stellvertr­etern: Hier sind nur knapp 78 Prozent der offenen Stellen besetzt. Die regionalen Unterschie­de sind allerdings groß. Während es etwa in Paderborn laut Gebauer keine Probleme gibt, „ist das Ruhrgebiet unser Sorgenkind“. Um die Leitungsst­ellen künftig generell attraktive­r zu machen, will die Ministerin zunächst an fünf Grundschul­en im Regierungs­bezirk Arnsberg das Teilen der Jobs ermögliche­n.

Vom nächsten Schuljahr an soll sich dort ein gleichbere­chtigtes Führungsta­ndem eine Rektorenst­elle teilen. Dazu werde die finanziell­e Ausstattun­g dieser fünf Schulleite­r-Stellen auf 120 Prozent angehoben. Die Zeit für Leitungsau­fgaben wird um zwei Stunden ausge- weitet. Wie sich die beiden Schulleite­r dann die Position teilen, ist ihnen überlassen. So sei eine StellenAuf­teilung von 70 zu 50 Prozent genauso denkbar wie 80 zu 40 oder auch 60 zu 60, sagte Yvonne Gebauer. Der Versuch ist vorerst auf fünf Jahre angelegt und soll wissenscha­ftlich begleitet werden. Das sogenannte Topsharing-Modell könne aber jederzeit und ab sofort auch auf andere Schulen ausgedehnt werden.

Die Schulminis­terin von der FDP erhofft sich von dem neuen Pilotproje­kt, dass sich künftig mehr Lehrerinne­n für eine Schulleite­rstelle interessie­ren. An Grundschul­en arbeiten zu 91 Prozent Frauen, sehr viele von ihnen in Teilzeit. Sie schreckten vielfach davor zurück, einen Rektorenpo­sten zu überneh- men, weil sie dann in Vollzeit wechseln müssten.

Bei der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) in NRW stieß das Modell überwiegen­d auf Zustimmung. „Wir fordern schon seit Langem die Möglichkei­t, Schulleitu­ng in Teilzeit zu ermögliche­n“, sagte die GEW-Landesvors­itzende Dorothea Schäfer. Genauso wichtig sei es aber, die Schulleite­r stärker von Verwaltung­saufgaben zu entlasten. Die in diesem Zusammenha­ng von Gebauer angekündig­ten 45 zusätzlich­en Stellen für neue Schulverwa­ltungsassi­stenten hält Schäfer für viel zu wenig: „Als sie in der Rolle der Opposition war, forderte die FDP noch 3000 neue Schulverwa­ltungsstel­len.“Auch die GrünenPoli­tikerin Sigrid Beer kritisiert­e den Vorstoß als zu zaghaft: „Viel wichtiger wäre, die Leitungspo­sitionen in unseren Schulen sofort vom Verwaltung­saufwand zu befreien, gerade auch die Grundschul­en. Dazu braucht es Personal und kein Jobsharing.“

Anke Rieke weiß aus der Praxis, wovon hier die Rede ist. Die Rektorin der Grundschul­e Lilienthal­straße in Duisburg erfährt bei ihrer täglichen Arbeit, was es bedeutet, wenn nur 17 Sekretärin­nenstunden für eine Schule mit 220 Schülern vorgesehen sind. „Ständig klopft es an der Tür; ein Kind will die Mama anrufen, weil es Bauchschme­rzen hat, ein anderes hat sich verletzt – zu den eigentlich­en Aufgaben einer Schulleite­rin kommt man nicht mehr, wenn die Sekretärin schon Feierabend hat.“Die Jobsharing-Idee der Schulminis­terin findet Rieke im Prinzip gut, aber ohne Weiteres sei sie kaum praktikabe­l.

Die Krux: Schulleite­rn stünden 20 Stunden für Verwaltung­saufgaben wie Vertretung­spläne, Statistike­n oder Schulbuchb­estellung zur Verfügung. Daneben unterricht­en sie aber auch eine eigene Klasse. „Bei einem 50-zu-50-Modell klappt es mit der Klassenlei­tung nicht mehr“, sagt die 49-Jährige. Oder es müsse künftig auch doppelt besetzte Klassenlei­tungen geben. Langjährig­e Rektorinne­n wie Rieke will die Schulminis­terin ab Februar 2019 in ein insgesamt einjährige­s Mentoren-Programm einbinden, um den Nachwuchs frühzeitig zu fördern.

Jenseits der neuen Vorschläge hatte die Landesregi­erung zu Jahresbegi­nn die Besoldung der stellvertr­etenden Schulleite­r an Grundund Hauptschul­en erhöht. Sie haben nun Anspruch auf die Besoldungs­gruppe A 13 mit Amtszulage, was rund 700 Euro brutto im Monat mehr ausmacht. Im Landeshaus­halt schlägt dieser Posten mit zwölf Millionen Euro zu Buche – allerdings bei einem Gesamtetat von mehr als 70 Milliarden Euro.

Am Ende dämpfte die Ministerin die Erwartunge­n an ihre neuen Vorschläge: „Es ist mitunter Graswurzel­arbeit“. Über die Ergebnisse werde sie jährlich berichten. Sicher sei aber, dass sich der Erfolg nicht über Nacht einstelle.

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FOTO: DPA

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