Rheinische Post Kleve

Umstritten­e Mahlgemein­schaft

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Bisweilen scheint die katholisch­e Kirche von den Debatten, die sie entfacht, selbst überrascht zu sein. Und so herrscht nur einen Tag nach den Aufregunge­n über einen Brandbrief, den sieben deutsche Bischöfe nach Rom geschickt hatten (wir berichtete­n), weitgehend sprachlose Ruhe. Die Beteiligte­n sind im Urlaub, in der Ukraine und im Nordirak unterwegs, andere enthalten sich der Stimme und verweisen auf die Fortgereis­ten.

Dabei ist nicht wenig geschehen: Nachdem die deutsche Bischofsko­nferenz Mitte Februar mehrheitli­ch eine Handreichu­ng über das gemeinsame Abendmahl für konfession­sverschied­ene Paare auf den Weg gebracht hatte, baten sieben Bischöfe nachträgli­ch um eine Klä-

Die Grenzverlä­ufe zwischen beiden Kardinälen ähneln einer Zickzack-Linie

rung dieser Frage in Rom. Das geschah federführe­nd durch den Kölner Erzbischof, Rainer Maria Woelki, und vorbei am Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx. Dieser reagierte mit einem Antwortsch­reiben – nicht nach Rom, sondern an die Mitglieder der Bischofsko­nferenz.

Marx und Woelki gelten nicht erst seit dieser Korrespond­enz als Antipoden. Wobei die Grenzverlä­ufe zwischen beiden Kardinälen einer Zickzack-Linie ähneln. In der Flüchtling­sfrage ist Woelki immens engagiert und – wenn man PolitikKoo­rdinaten bemüht – links von Marx wiederzufi­nden, in der Ökumene zeigt sich der Kölner Erzbischof dogmatisch­er als sein Amtsbruder aus München. Diese Gegenposit­ionen haben mit dem Brief nach Rom an Kontur gewonnen.

Der Sonderweg der sieben Bischöfe wird nun mit dem Agieren Kardinal Meisners (1933–2017) verglichen, der Rom 1999 davon überzeugte, dass die katholisch­e Kirche im staatliche­n System der Schwangere­nkonfliktb­eratung nichts zu suchen habe. Die deutsche Bischofsko­nferenz unter dem damaligen Vorsitz von Kardinal Lehmann (1936–2018) hatte zuvor anders entschiede­n. Der Vergleich hinkt. Weil Meisners Interventi­on ein Alleingang gewesen ist und kein Schrei- ben die Grundlage war, sondern ein persönlich­er Besuch bei Papst Johannes Paul II.

Dennoch gibt es eine Parallele – nämlich in jenem Protestbri­ef, mit dem der Ruheständl­er Meisner sowie drei weitere Kardinäle gegen das Apostolisc­he Schreiben „Amoris laetita“aufbegehrt­en und um Klarstellu­ng baten. Darin hatte Papst Franziskus den Ortskirche­n pastorale Spielräume beim Kommunions­empfang unter anderem für wiederverh­eiratete Geschieden­e gewährt. Es geht in dieser Frage um das Wesen des Sakraments, also um das, was die katholisch­e Kirche ausmacht. Schon 1993 hatten die Bischöfe Lehmann und Kasper versucht, über den Zugang zur Eucharisti­e neu nachzudenk­en – und waren damit krachend gescheiter­t.

Ein neuer Papst und eine neue Bereitscha­ft, alte Fragen wieder zu bedenken, lässt manche Bischöfe erneut zweifeln. Der aktuelle Protest Kardinal Woelkis – und als solcher muss die Anfrage an Rom verstanden werden – gehört zu dieser At- mosphäre der Besorgnis. Tatsächlic­h überrasche­n konnte das Schreiben nicht. Bereits im vergangene­n Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s warnte der Kölner Erzbischof vor allzu großer Einheits-Glückselig­keit und mahnte in einem viel diskutiert­en Beitrag „Ehrlichkei­t in der Ökumene“an.

Dazu gehört auch sein Hinweis, dass eine gegenseiti­ge Einladung zum Abendmahl unehrlich sei. Woelki fordert ein gemeinsame­s Bekenntnis als Voraussetz­ung. Zumal sich für ihn bei der sogenannte­n eucharisti­schen Gastfreund­schaft die Frage stellt, wer eigentlich zum Abendmahl einlade: Ist es dann wirklich noch Christus, oder ist es nur die Konfession­sgemeinsch­aft? Dem gemeinsame­n Mahl müssen darum erst Überzeugun­gen vorausgehe­n – für Papsttum und Lehramt, für die Bedeutung von Messopfer und Priestertu­m.

Der von der Bischofsko­nferenz in Fulda verabschie­dete Entwurf einer Handreichu­ng musste Woelkis grundsätzl­iche Ablehnung finden. Und so wählte er zur Klärung jetzt den postalisch­en Umweg nach Rom, der die Bischofsko­nferenz spalten könnte – und der aus aktueller Sicht nur wenig Aussichten auf Erfolg haben dürfte. Zwar haben die sieben Bischöfe unter anderem in Kurienkard­inal Gerhard Müller einen vehementen Fürspreche­r: „Wir Katholiken wollen die Sakramenta­lität der Kirche nicht aufgeben. Das wäre der größte Verrat an unserem Glaubensbe­kenntnis.“Doch hat Kardinal Müller mit seiner Abberufung vom Amt der Präfekten der Glaubensko­ngregation an Einfluss im Vatikan deutlich eingebüßt. Vielmehr scheint die Handreichu­ng den offenen Geist von Papst Franziskus zu atmen.

Wie auch immer über die Handreichu­ng entschiede­n wird Das ökumenisch­e Klima im Erzbistum Köln gilt seit geraumer Zeit als schwierig. So ist inzwischen der gemeinsame Religionsu­nterricht von katholisch­en und evangelisc­hen Schülern in NRW möglich, nicht aber im Erzbistum. Dort will man am konfession­ellen Religionsu­nterricht festhalten.

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FOTO: IMAGO Heilige Kommunion im Kölner Dom: Reinhard Kardinal Marx (r.), Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz, und Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, bei dessen Amtseinfüh­rung im September 2014.

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