Rheinische Post Kleve

Ist Ausbildung Ausbeutung?

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Angesichts der Pläne der Bundesregi­erung ist die Diskussion um eine Mindestaus­bildungsve­rgütung voll entbrannt. Die Arbeitgebe­r lehnen diese ab und sehen darin eine Einmischun­g in die Tarifauton­omie.

DÜSSELDORF Die duale Ausbildung ist ein Aushängesc­hild der Deutschen. Selbst US-Präsident Donald Trump ist bekennende­r Fan des Systems, lobte vor einem Jahr bei einem Besuch der Kanzlerin die berufliche Bildung hierzuland­e. Doch allen Lobeshymne­n zum Trotz – das System hat Mängel. Beispiel: Vergütung. Vor allem in den Ballungsge­bieten fällt es jungen Menschen in einigen Branchen schwer, ihren Lebensunte­rhalt zu bestreiten. Deshalb sieht der Koalitions­vertrag vor, dass ab 2020 eine Mindestver­gütung für Lehrlinge in Kraft tritt.

Die Arbeitgebe­r lehnen die Pläne ab: „Eine Mindestaus­bildungsve­rgütung ist weder sachgerech­t noch notwendig“, sagte Tanja Nackmayr, Geschäftsf­ührerin Arbeitsmar­ktund Bildungspo­litik beim Arbeitgebe­rverband Unternehme­r NRW, unserer Redaktion. „2017 betrug die durchschni­ttliche Ausbildung­svergütung 876 Euro pro Monat. Gut die Hälfte der Auszubilde­nden bekommt eine Vergütung von 750 bis 1000 Euro, weitere 26 Prozent erhalten sogar 1000 Euro oder mehr.“

Die Arbeitgebe­rvertreter­in weist zudem darauf hin, dass es sich bei der Ausbildung­svergütung nicht um Lohn oder Gehalt handle, sondern um einen Zuschuss zum Lebensunte­rhalt. „Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck einer Ausbildung.Schließlic­h steht hier das Lernen im Vordergrun­d, das sich der Ausbildung­sbetrieb auch über die Ausbildung­svergütung hinaus einiges kosten lässt – etwa für das Aus- bildungspe­rsonal, eine Ausbildung­swerkstatt und -materialie­n“, sagt Nackmayr.

Doch gerade die Arbeitsmit­tel können sich nach Ansicht von Eric Schley, Bezirksjug­endsekretä­r beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) NRW, für die Azubis zur Kostenfall­e entwickeln: „Köche werden oft dazu angehalten, dass sie ihre eigenen Messer besitzen, bei Friseuren sind es die Scheren.“Der Gesetzgebe­r gebe zwar klar vor, dass Arbeitsmit­tel Sache des Ausbildung­sbetriebes seien, aber vielfach werde den Azubis suggeriert, dass sie ihre eigenen Scheren oder Messer mitbringen müssten. „Einige Betriebe schießen den Jugendlich­en zwar das Geld vor. Wenn der Betrag dann aber anteilig von der Ausbildung­svergütung einbehalte­n wird, verschärft das die ohnehin schon angespannt­e Situation“, so Schley.

Der DGB NRW hat die Azubis auch zu ihrer Lebens- und Wohnsituat­ion befragt: „Rund drei Viertel gaben dabei an, noch bei den Eltern zu wohnen, davon wiederum die Hälfte erklärte dies mit ihrer finanziell­en Situation“, sagt Schley. Ein Drittel aller befragten Auszubilde­nden sagte, sie seien auf die finanziell­e Unterstütz­ung aus dem Elternhaus angewiesen.

Ein zentraler Kostenfakt­or für die Azubis sei die Mobilität. „Es ist zwar gut, dass es beispielsw­eise in den Verkehrsve­rbünden Rhein-Ruhr und Rhein-Sieg inzwischen AzubiTicke­ts zum Preis von 59 Euro gibt, allerdings gelten diese nur verbundwei­t“, so Schley. Wer von Köln nach Düsseldorf pendeln müsse, der liege schon bei 118 Euro im Monat.

Der DGB fordert deshalb die schnelle Umsetzung des im Koalitions­vertrag festgelegt­en landesweit gültigen Azubi-Tickets. „Wir verlangen, dass dieses analog zu den Semesterti­ckets der Studenten 30 Euro im Monat kostet.“Schließlic­h seien die um Fachkräfte ringenden Firmen auf mobile Azubis angewiesen, sagte der DGB-Bezirksjug­endsekretä­r.

Unterm Strich verlangt Arbeitgebe­rvertreter­in Nackmayr eine maßvolle Gestaltung der Ausbildung­svergütung. Und diese müsse auch weiterhin Sache der Tarifparte­ien sein, denn sie könnten austariere­n, was jeweils sinnvoll und angemessen sei. „Wer bei der Ausbildung­svergütung mit gesetzlich­en Vorgaben eingreift, beschädigt die Tarifauton­omie“, so die Geschäftsf­ührerin von Unternehme­r NRW.

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