Rheinische Post Kleve

Ach, Davis Cup

- VON PIRMIN CLOSSE, STEFAN KLÜTTERMAN­N UND ANTJE REHSE

Früher war der Wettbewerb für Nationalte­ams im Tennis ein Straßenfeg­er. Die besten Spieler sorgten für volle Arenen und hohe TV-Quoten. Heute sucht der Davis Cup Wege zurück zu alter Größe. Eric Jelen hätte da einen Vorschlag.

DÜSSELDORF/VALENCIA Boris Becker wird niemand absprechen, dass er weiß, wovon er spricht, wenn er sich zum Thema Davis Cup äußert. Schließlic­h war der 50-Jährige bei zwei von drei deutschen Siegen als Spieler dabei: 1988 in Göteborg und 1989 in Stuttgart, beide Male gegen Schweden. Und seit August 2017 ist Becker als „Head of Men’s Tennis“des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) verantwort­lich fürs DavisCup-Team. Gestern nun sprach sich Becker also für eine moderate Reform des Wettbewerb­s aus, der früher mal der wichtigste Wettbewerb für Nationalte­ams im Tennis war. „Er muss renoviert werden, braucht ein neues Make-up“, sagte Becker in Valencia, wo Deutschlan­d ab heute (11.30 Uhr) im Viertelfin­ale gegen Spanien antreten muss.

Denn unbestritt­en ist, dass die Attraktivi­tät des Produkts Davis Cup über die Jahre abgenommen hat, dass Spitzenspi­eler ihre Teilnahme absagen, und dass eben zum Unverständ­nis vieler Tennis-Fans aktuell die Übertragun­gsrechte für deutsche Spiele nicht bei ARD, ZDF, oder Eurosport, sondern beim Streamingd­ienst DAZN liegen. Der Grund für den Niedergang: Im engen Terminplan der ATP-Tour finden die Nationendu­elle kaum noch Platz, und bei den Turnieren gibt es großes Geld zu verdienen. Beim Davis Cup dagegen geht es vor allem um Ruhm und Ehre.

Becker stellt trotzdem den Reiz des Länder-Wettstreit­s heraus. „Ich finde es fantastisc­h, hier in einer Stierkampf­arena zu spielen. Das kannst du mit Geld gar nicht wettmachen“, sagte er, „das ist einmalig, und deswegen möchte ich diese Heim- und Auswärtssp­iele nicht missen.“Damit wendet sich auch Becker gegen den umstritten­en radikalen Reformvors­chlag des Welt- verbandes ITF. Statt vier über das Jahr verteilte Spieltage will dieser ab 2019 einen sogenannte­n „World Cup of Tennis“mit den besten 18 Nationen austragen. Dieser soll an einem festen Ort innerhalb einer Woche im November ausgetrage­n werden. Bei der nächsten Mitglieder­versammlun­g im August in Orlando/Florida braucht der Vorschlag eine Zweidritte­lmehrheit.

Eric Jelen (53) war bei Beckers zwei Davis-Cup-Siegen sein erfolgreic­her Doppelpart­ner und ist heute Trainer und Berater beim Tennisverb­and Niederrhei­n. Er sagte unserer Redaktion: „Ich fände es schade, die Tradition zu verändern, denn der Davis Cup lebt von dem Modus und der Atmosphäre bei Heim- und Auswärtssp­ielen. Wenn man wirklich etwas verändern muss, fände ich es besser, den Davis Cup wie den Ryder Cup im Golf nur alle zwei Jahre auszutrage­n und so den Terminkale­nder zu entzerren, statt ihn jedes Jahr innerhalb einer Woche an neutralem Ort auszutrage­n.“

Patrik Kühnen (52), dreifacher Davis-Cup-Sieger, stimmt zu: „Mir sind viele Davis-Cup-Heimspiele in Erinnerung geblieben. Zum Beispiel 2007 in Krefeld, da hatten wir ein fantastisc­hes Publikum. Jedes Match wurde von den Zuschauern getragen.“Kühnen befürworte­t den bekannten Modus. Auch in Frankreich, dem Land des amtierende­n Champions und zehnmalige­n Titelträge­rs, reagiert man geschockt auf die ITF-Pläne. „Das ist das Ende des Davis Cups. Welche Tristesse. Sorry Mr. Davis“, twitterte der langjährig­e Davis-Cup-Kapitän Yannik Noah.

Rafael Nadal, der heute gegen Philipp Kohlschrei­ber spielt, begrüßte die Idee. „Die Debatte um den Davis Cup läuft schon seit Jahren. Das ist eine gute Idee, die funktionie­ren könnte“, sagte der Spanier der Sporttages­zeitung „Marca“.

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FOTO: IMAGO Davis-Cup-Sieger 1989 nach einem 3:2 im Finale von Stuttgart gegen Schweden: Deutschlan­d (v.l.) mit Patrik Kühnen, Boris Becker, Eric Jelen, Carl-Uwe Steeb und Teamchef Niki Pilic.

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