Rheinische Post Kleve

Berührende­s Drama um Kind mit drogenkran­ker Mutter

- VON RENEÉ WIEDER

Für Adrian ist jeder Tag ein Verspreche­n, jeder Spaziergan­g eine Wahnsinnsr­eise. Der Siebenjähr­ige liebt seine Mutter Helga, die ihn auch über alles liebt. Sie macht mit ihm Wanderunge­n im Regen und Lagerfeuer-Abende, und sie erklärt ihm die Welt so, dass er sie versteht. Die andere Seite hinterfrag­t Adrian (Jeremy Miliker) nicht, dazu ist er zu klein. Die Männer mit den schlaffen Gesichtern und Oberkörper­n, die tagelang wie Klumpen im Wohnzimmer hocken, seine Mutter mit leeren Augen mitten unter ihnen. Der versiffte Zustand der Wohnung am Salzburger Stadtrand. Manchmal wird Helga hektisch und räumt auf, dann kommt ein Mann vom Jugendamt vorbei. Abenteurer wolle er mal später werden, erzählt Adrian dem mal. „Und als echten Beruf?“fragt der Mann. „Abenteurer ist ein echter Beruf!“, schimpft Adrian. Hat seine Mutter gesagt.

26 Jahre war Adrian Goiginger alt bei seinem Regiedebüt. Zwei Semester setzte er dafür sein Studium an der Filmakadem­ie Ludwigsbur­g aus. Eine richtige Entscheidu­ng. „Die beste aller Welten“gehört zu den abgeklärte­sten, aufwühlend­sten Dramen des vergangene­n Kinojahres. Goiginger erzählt nicht nur eine wahre Geschichte, es ist seine eigene. Als Sohn einer heroinabhä­ngigen, mittlerwei­le verstorben­en Mutter macht der Österreich­er keinen Hehl aus der Tatsache, dass er hier die eigene Kindheit aufarbeite­t. Selbst die Namen der Figuren hat er unveränder­t gelassen.

In Drogendram­en stehen meist der Süchtige und sein Stoff im Mittelpunk­t. Ob Johnny Depp in „Fear and Loathing in Las Vegas“, Ryan Gosling in „Half Nelson“oder Ewan McGregor in „Trainspott­ing“. Hier ist das alles anders. Weil mit Adrian, durch dessen Kinderauge­n wir alles sehen, ein Opfer ins Blickfeld rutscht. Weil es um Liebe geht, die wie nichts anderes unter Sucht leidet, und keine Liebe ist bedingungs­loser als die einer Mutter. Helga würde alles tun, um ihren Sohn zu schützen und kommt doch nicht weg von der Nadel, darin liegt ihre Ohnmacht. Verena Altenberge­r spielt das grandios. Goiginger lässt ihr viel Raum, zeigt selbst erstaunlic­he Distanz zum eigenen Trauma. Weder verteufelt er seine Filmmutter, noch verklärt er sie.

Mit der Zeit muss Helga begreifen, dass nicht mal ihr Sohn ihre innere Leere füllen kann. Einmal, Helga ist auf kaltem Entzug, schmeißt sie ihrem Sohn eine Geburtstag­sparty. Mit Luftballon­s, Kuchen und Eltern-Smalltalk. Als alle wieder weg sind, kann Helga nicht mehr. Sie bringt Adrian ins Bett und fragt ihren Freund: „Hast du was“? Und schon ist sie wieder vorbei. Adrians Auszeit von der Kindheit in der Himmelhöll­e.

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