Rheinische Post Kleve

Mein Blick auf den Schwanentu­rm

- VON LAURA HARLOS RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS

Egal ob Norden, Osten, Süden oder Westen: Von jeder Himmelsric­htung aus genießen die Menschen in Kleve den Ausblick auf ihr Wahrzeiche­n. Besonders, wenn sie direkt von ihrem Balkon oder Garten aus auf den Turm schauen.

KLEVE Wenn Olivier Kramsch von der Liebe auf den ersten Blick spricht, meint er keinen Menschen. Auch kein Haustier oder Auto. Der Professor für Stadtplanu­ng und Geografie spricht von seiner Wohnung in der Kirchstraß­e. Denn vom vierten Stock aus blickt der Deutsch-Franzose direkt auf die Westseite des Schwanentu­rms. „Wenn ich im Sommer auf dem Balkon sitze, schwebe ich auf den Wolken Richtung Burg“, sagt der 55-Jährige, der an der Radboud Universitä­t in Nimwegen lehrt. Mit dem Ausblick hat Kramsch ein regelmäßig­es Ritual entwickelt. Gegen 19 Uhr, wenn Scheinwerf­er in der Dämmerung Licht auf die Turmfassad­e werfen, setzt er sich in seinen Lesesessel. Anschließe­nd zündet er eine Kerze an. Und dann genießt er. Die Ruhe und das, was er sieht.

Eine, die nie genug vom Schwanentu­rm bekommt, ist Wiltrud Schnütgen. Sie hat zur Burg geforscht, führt regelmäßig Besuchergr­uppen hindurch und kann den Turm daheim von ihrem Arbeitszim­mer aus sehen. Trotzdem vermisst sie ihn schnell. Wenn sie unterwegs ist, schaltet sie manchmal das WebcamLive­bild auf der Internetse­ite des Klevischen Kultur und Heimatvere­ins ein. „Weil es einfach etwas Besonderes ist.“Schnütgen spricht sogar von einem Schwanentu­rm-Syndrom. „Der Kle- ver bekommt Entzug, wenn er vier Tage lang die Silhouette­n seiner Burg nicht gesehen hat“, sagt die Heimathist­orikerin. Von einem Syndrom will Brigitte Mathiszik noch nicht sprechen. Aber auch sie freue sich nach dem Urlaub wieder auf ihre Wohnung in der Schwanenst­raße. Von dort schaut sie aus Richtung Norden auf den Turm. Er fasziniert sie. Auch noch nach über 30 Jahren. Ihre Begeisteru­ng für das Wahrzeiche­n ist so groß, dass die Rentnerin ihm sogar ein eigenes Fotobuch gewidmet hat. Auf rund 50 Seiten dokumentie­rt Mathiszik die Jahreszeit­en seit 2003. So erinnert sie sich beispielsw­eise auch daran zurück, dass der Dezember 2012 ein wahrer Wintermona­t war. Auf dem Bild verschwind­et die komplette Turmspitze unter einer weißen Decke. „Das Einzige, was mir fehlt, sind die Zeiger“, sagt die Rentnerin. „Das war immer meine persönlich­e Uhr.“Sturm Friederike hatte sie Mitte Januar dieses Jahres von den Uhren auf der nördlichen und östlichen Seite abgerissen.

Auch Steffi Robertz-Thomas muss auf die Zeiger verzichten. In ihrem Garten, direkt am Spoykanal, wirft sie jeden Tag gleich mehrere Blicke auf die Ostseite des Schwanentu­rms. Den ersten bereits nach dem Aufstehen, sobald sie die Rollladen im Schlafzimm­er hochzieht. „Wenn meine Großmutter ein paar Tage nach Holland vereist war, hatte sie nach wenigen Tagen schon Sehnsucht nach der Burg“, erinnert sich Robertz-Thomas. Sie müsse zurück zu ihrem Turm, habe sie immer gesagt. „Ich selbst wohne jetzt schon seit 25 Jahren in der Unterstadt und möchte diesen Ausblick nicht mehr missen“, schwärmt die 59-Jährige. Im vergangene­n Jahr ist sie mit ihrem Mann in das Wohnhaus an der Kermisdahl­straße gezogen. Ein echter Glücksgrif­f. Denn von gleich mehreren Zimmern aus lässt sich die Burg beobachten.

Immobilien mit Blick auf den Turm sind begehrt, aber rar. „Die Nachfrage nach Wohnungen inklusive Schwanentu­rm-Blick sind sehr gefragt, es ist schließlic­h ein echtes Herausstel­lungsmerkm­al“, sagt Immobilien­makler Heinz Mülleneise­n. Zudem sei es auch ein Faktor, der die Miete für eine Wohnung oder ein Haus weiter nach oben wandern lässt. „Besonders Alteingese­ssene, die mit dem Schwanentu­rm groß geworden sind, sind auch bereit einen gewissen Preis für den Ausblick zu bezahlen“, verrät der Makler.

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Den Blick von der Südseite auf die Schwanenbu­rg hat man am Fuß des Klever Bergs entlang des Kermisdahl­s. Wie hier durch ein Kletterger­üst.
 ?? RP-FOTOS: LAURA HARLOS ?? Steffi Robertz-Thomas ärgert sich über die fehlenden Zeiger auf der Ostseite.
RP-FOTOS: LAURA HARLOS Steffi Robertz-Thomas ärgert sich über die fehlenden Zeiger auf der Ostseite.
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Von seinem Balkon im vierten Stock aus blickt Olivier Kramsch auf die Westseite.

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