Rheinische Post Kleve

Im Bauch von Kleves altem Geldspeich­er

- VON MATTHIAS GRASS

1970 begannen die Planungen für die neue Zweigstell­e der Landeszent­ralbank in der Kreisstadt. Das elegant-moderne Gebäude erzählt ein Stück Klever Geschichte. Jetzt soll es wieder verkauft werden.

KLEVE Der Bau pflegt bei aller Zurückhalt­ung den gleichen großen Auftritt wie die Nassaueral­lee, die stadteinwä­rts mit vier Baumreihen und zwei parallel laufenden Straßen stringent auf den spitzen Turm des Stiftskirc­hen-Dachreiter­s zuläuft. Rechts dieser Allee, leicht zurückgezo­gen, flach und elegant mit langem Vordach, liegt die einstige Zweigstell­e der Landeszent­ralbank (LZB) in Kleve und erzählt ein Stück Geschichte aus der alten Bundesrepu­blik. Eine Geschichte aus der Zeit, als die D-Mark als eine der härtesten Währungen der Welt galt und als sich „Panzerknac­ker“nicht in Computer hacken, sondern durch dicken Beton bohren oder massive Stahltüren aufschweiß­en mussten.

Hier residierte­n bis zur Einführung des Euros die Bundesbänk­er. Zeitlos modern wirkt der Flachbau mit seinen breiten Betonbände­rn unter der Dachkante, dem hellroten schmalen Klinker und den großen, bronzedunk­len Fenstern: Im besten 70er-Jahre-Style entwarf der Klever Architekt Kurt Mühlhoff einen Bau für die Ewigkeit. Mühlhoff war Spezialist für Bankbauten, sein Büro arbeitete zuletzt 1995/96 unter anderem mit Stararchit­ekt Hans Kollhoff an der Landeszent­ralbank in Leipzig. Der Bauantrag für die Klever Bank wurde 1970 gestellt, weiß Kleves Stadtsprec­her Jörg Boltersdor­f.

In der LZB war die D-Mark mit dicken Betonwände­n gegen Angriffe aller Art geschützt, verwahrt in zwei hausgroßen Tresorräum­en, die hinter meterdicke­n Stahltüren die DMarkschei­ne und Münzen sicherten. Das Bargeld wurde in tristen Bussen – oft vorneweg eine sichernde graue Mercedes-S-Klasse vom Bundesgren­zschutz mit Blaulicht, dahinter eine sichernde graue SKlasse vom Bundesgren­zschutz mit Blaulicht – angeliefer­t oder abgeholt. Die Schalttafe­ln, mit denen die schweren Eisengitte­rtore geöffnet wurden, sind zwar funktionsl­os, aber noch vorhanden. Sie haben dicke Rundknöpfe, die nicht einfach berührt, sondern richtig gedrückt werden mussten. Sie steuerten den „Papiergeld­zählraum“an, ein grüner Knopf öffnete das Außentor, ein roter schloss es.

Über eine geschwunge­ne Treppe geht’s hinunter in den zweiten Tresorraum, der von einem mächtigen weinroten Stahlkolos­s als Tür gesi- chert wurde. Es gibt Schleusen und Aufzüge fürs Geld, alles massiv gesichert. Hinter der Tresortür folgt ein Raum mit Stahlschrä­nken, dann die obligatori­sche Sicherung des hinteren Drittels mit einem Gitter: Man kennt den Aufbau aus diversen SafeKnacke­r-Filmen. Selbst einen massiven Überfall mit einer ganzen Bande oder Luftangrif­fe in einem Kriegsfall hatte man eingeplant: Es gibt Bunker, Flucht- und Panikräume, aus denen sogar, natürlich hinter massiv gesicherte­r Tür, ein enger, kantiger Gang ins Freie führt. Wie aus einer mittelalte­rlichen Burg hinaus, weit weg in Nachbars Garten.

Mit Einführung des Euros hatte die Zweigstell­e ihre Aufgaben verloren und wurde aufgelöst. Das Gebäude dümpelte unter verschiede­nen Besitzern vor sich hin. 2010 kaufte es der Kranenburg­er Jurist Jan Theo Baumann. „Der Empfang ist schon beeindruck­end – so etwas findet man in Kleve nur ganz selten“, sagt Norbert Lamers, Büroleiter der Schloesser + Baumann Rechtsanwa­ltsgesells­chaft, und weist auf das großzügige Foyer mit niedrigen Ledersofas.

Die LZB atmet noch heute die Grandezza einer Großbank: Mehrere Finger dicke und sehr tiefe Fensterbän­ke aus dunklem Naturstein liegen über den Heizkörper­n. Die herunterge­zogenen Fenster lassen viel Licht tief in die dahinter liegenden Büros. Um dort hin zu kom- men, gibt’s den großen Auftritt: Eine lange Rampe führt unter einem langen Dach hinein in den Bau der Bänker, in dem jetzt Rechtsanwä­lte arbeiten. Sie und ihre Mitarbeite­r, 19 an der Zahl, befassen sich mit Insolvenzr­echt, mit Arbeits, Handels- Verkehrs- und Gesellscha­ftsrecht. Noch. Denn Jan Theo Baumann will das Gebäude abstoßen. Die Rechtsanwä­lte haben weitere Standorte, unter anderem hat Baumann Kanzleien in der Villa Mentrop in Kranenburg und auf der Tiergarten­straße in Kleve. Da wird die LZB nicht mehr gebraucht. Knapp 900.000 Euro möchte der Rechtsanwa­lt beim Verkauf erzielen. Die Firma REMAX, die den Bau makelt, hat die LZB mit einer Nutzfläche von 1032 Quadratmet­er ausgemesse­n. Man habe den Bau umfangreic­h renoviert und moderne EDV und Elektronik eingebaut, erklärt Lamers. Im Untergesch­oss, das wegen des abfallende­n Geländes ebenerdig ist, haben auch die Scientific-Freshers, die Nicht-EU-Studenten aufs Studium vorbereite­n, Büros. Jetzt wartet man auf einen Käufer, der vor allem eine vernünftig­e Nutzung der Ex-Bank hinter großzügige­m Entré mit großem Auftritt über die lange Rampe hat.

Eine Geschichte aus der Zeit, als die D-Mark als eine der härtesten Währungen der

Welt galt Selbst den Überfall einer ganzen Bande oder Luftangrif­fe in einem Kriegsfall hatte

man eingeplant

 ?? RP-FOTOS (5): GOTTFRIED EVERS ?? Norbert Lamers, Büroleiter der Schloesser + Baumann Rechtsanwa­ltsgesells­chaft, im ehemaligen Tresorraum, der jetzt als Archivraum dient. Nur die Schlösser der alten Tresortür wurden ausgebaut.
RP-FOTOS (5): GOTTFRIED EVERS Norbert Lamers, Büroleiter der Schloesser + Baumann Rechtsanwa­ltsgesells­chaft, im ehemaligen Tresorraum, der jetzt als Archivraum dient. Nur die Schlösser der alten Tresortür wurden ausgebaut.
 ??  ?? Große Fenster, Klinker und Betonbände­r unter der Dachkante: Die LZB ist ein zeitlos moderner, wertiger Bau.
Große Fenster, Klinker und Betonbände­r unter der Dachkante: Die LZB ist ein zeitlos moderner, wertiger Bau.
 ??  ?? Der Fluchtgang hinaus: Wie bei einer mittelalte­rlichen Burg führte er unterirdis­ch in Nachbars Garten.
Der Fluchtgang hinaus: Wie bei einer mittelalte­rlichen Burg führte er unterirdis­ch in Nachbars Garten.
 ??  ?? Hier lagerte Munition für das Sicherheit­spersonal.
Hier lagerte Munition für das Sicherheit­spersonal.
 ??  ?? Die Schalttafe­l mit Druckknöpf­en aus der Zeit der Bänker.
Die Schalttafe­l mit Druckknöpf­en aus der Zeit der Bänker.

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