Rheinische Post Kleve

Zu richten die Lebenden und die Toten

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mus Bosch erinnern. Links hingegen stehen die Gerechten vor der Himmelstür ins jenseitige Jerusalem. Wundersame­s Licht strömt aus dem Durchgang unter den beiden Bögen, die von einer Säule getragen wird. Ein weißhaarig­er Mann kniet mit erfreut gehobenen Armen davor, daneben eine Frau, dahinter weitere Menschen die in bittender Haltung dem Tor zustreben.

Alle sind sie nackt und gleich vor dem Weltenrich­ter. Denn Jesus ist gekommen, zu richten die Lebenden und die Toten während die Engel der Apokalypse in die Posaune stoßen. Der Weltenrich­ter thront auf einem Regenbogen, hinter ihm hat sich wolkenumkr­änzt der Himmel geöffnet, links steht die Muttergott­es. Zu Füßen Jesu die dunkle Erdkugel, zu seiner rechten liegt die Lilie der Gnade dem Schwert des Richters auf der anderen Seite ge-

genüber. Das Schwert, das in die Verdammnis führt. Jesus wird vom roten Mantel des Weltenherr­schers umhüllt.

Als der Kalkarer Rütger Krop um 1554 auf baltischer Eiche das große Gerichtsbi­ld malte, hielt er sich an die Tradition dieses Genre. Diese Gerichtsbi­lder unterschei­den sich in ihrer Symbolik oft nur in Nuancen, so zeigt etwa beim Gerichtsbi­ld in Brügge die Schwertspi­tze in Richtung Höllenschl­und und nicht in Richtung des Herrschers.

Der ist gekommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Doch Jesus ist nicht der unbarmherz­ige Richter, „denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“(Joh 3,17). Dennoch, die, die sich von ihm abwenden, haben keine Chan-

ce den Fluss zu überqueren und es zur Himmelspfo­rte zu schaffen, wie Krop in seinem großen Tafelbild aufzeigt.

Das Gerichtsbi­ld hing früher im Kalkarer Rathaus, sagt Harald Münzner, Kulturamts­leiter. Unter ihm wurde Recht gesprochen. Dabei sagt das Bild, das letztlich nicht irdisches, sondern göttliches Recht am jüngsten Tage das wahre Gericht sei. Anderersei­ts zeigte es auch, wem sich das irdische Gericht verpflicht­et fühlen sollte. „Heute ist Kalkar eine der wenigen Städte, in denen ein Gerichtsbi­ld erhalten blieb“, sagt Münzner. Seit seiner Restaurier­ung besticht das Kalkarer Bild nicht nur durch seine Symbolik, sondern auch durch seine strahlende Farbigkeit – die investiert­en 18.000 Euro sind gut angelegt. Sie kamen über Förderprog­ramme des Landes, der Bezirksreg­ierung und Spenden zusammen, erklärt Münzner. Es ist ein schöner Schatz des kleinen Kalkarer

Harald Münzner Museums, eingebunde­n im dunklen, schweren Rahmen, aufgestell­t auf einen schmalen aber stabilen Sockel, der das fast fünf Jahrhunder­te alte Bild auf schwerer baltischer Eiche trägt. Restaurier­t hat das Gemälde Jens Hoffmann.

Die Kalkarer Schöffenta­fel von 1521 hängt im zweiten Stock des mittelalte­rlichen Stufengieb­elhauses neben dem Gerichtsbi­ld, das seit seiner Restaurier­ung zur 775-JahrFeier der Stadt hier wieder zu sehen ist. Sie ist gut 30 Jahre älter als das Gerichtsbi­ld und schwört die Kalkarer Bürger ein, am Stephansta­g (zweiter Weihnachts­tag) in der Kalkarer Kirche auszurufen, dass alle Bürger sich zu Silvester einzufinde­n haben, „auf dass sie zu bestimmten Ämtern gewählt werden, auf dass dabei die Rechte der Stadt nicht beschnitte­n werden – aber auch, dass unsere Bürger keinen Schaden dabei nehmen und ihnen selber nichts geschehe“, wie es Gold auf Schwarz in feinster Fraktur heißt.

„Heute ist Kalkar eine der wenigen Städte, in denen ein Gerichtsbi­ld

erhalten blieb“

Stadt Kalkar

 ?? RP-FOTO: MGR ?? Das Kalkarer Gerichtsbi­ld, um 1554, ist frisch renoviert im Museum zu sehen.
RP-FOTO: MGR Das Kalkarer Gerichtsbi­ld, um 1554, ist frisch renoviert im Museum zu sehen.

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