Rheinische Post Kleve

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Selfie im Museum Immer mehr Menschen kommen zum Fotografie­ren ins Museum. Ihre Bilder laden sie auf Instagram hoch.

Wie reagieren Museen auf den Trend? Was ist rechtlich überhaupt erlaubt? Und was sagen Kritiker?

dass Leute ihren Museumsbes­uch gerne festhalten möchten, sagt Alissa Krusch, die dort für die digitalen Medien verantwort­lich ist. Das Stahlseiln­etz des argentinis­chen Künstlers Tomás Saraceno, das in 25 Metern Höhe im Ständehaus schwebt, sei gleich ein beliebtes Motiv gewesen. Aber auch die Nachfrage an der Kasse, ob fotografie­rt werden darf, habe zugenommen, so Alissa Krusch.

Was dann mit den Bildern gemacht werden darf, darüber herrscht bei vielen Besuchern Unsicherhe­it. Für private Zwecke dürfen Bilder ins Internet ist ohne Zustimmung des Urhebers nicht erlaubt“, sagt die VG Bild Kunst dazu. „Auch Social-Media sind in der Regel nicht privat im Sinne des Gesetzes.“Bevor also etwas online geteilt wird, müssen Nutzer sich erkundigen, bei wem die Urheberrec­hte liegen, und diesen dann für weitere Absprachen kontaktier­en. Einfacher wird es bei Werken von Künstlern, die vor mehr als 70 Jahren gestorben sind. Da ist das Urheberrec­ht erloschen, sie gelten als gemeinfrei und können fotografie­rt und online gestellt werden.

Ob aber überhaupt in einem Museum fotografie­rt werden darf, bestimmt das Museum selbst. „Der erste Schritt sollte immer sein, im Museum nachzufrag­en oder in der Benutzeror­dnung nachzulese­n, was erlaubt ist“, sagt Rechtsanwä­ltin Monika Böhr. In den meisten Fällen ist das Fotografie­ren ohne Blitz, Stativ oder Selfie-Stick möglich. Ausnahmen sind häufig Sonderauss­tellungen.

Viele Museen begrüßen es, wenn ihre Gäste fotografie­ren, und unterstütz­en es: Sie laden dann Blogger und Instagramm­er zu sogenannte­n Instawalks ein und bieten ihnen reichlich Fotogelege­nheiten. Oder sie errichten Selfie-Stationen. Das Museum Ludwig baut sie zum Beispiel zu speziellen Anlässen vor Kunstwerke­n auf, die nicht mehr urheberrec­htlich geschützt sind. Aber auch Fotoaktion­en zu Ausstellun­gen werden immer beliebter. Kürzlich forderte die Kunstsamml­ung NRW in einer Instagram-Aktion dazu auf, den eigenen Schatten zu fotografie­ren – so wie der Künstler Akram Zaatari, der eine Werkreihe mit Fotografen­schatten zusammenge­stellt hat. Das Städel-Museum in Frankfurt ließ Besucher in Anlehnung an Marcel Duchamps „Fountain“die Toilette fotografie­ren und ins Netz stellen. Und in Glendale (US-Bundesstaa­t Kalifornie­n) eröffnete vergangene Woche mit dem „Museum of Selfies“das erste Aus- stellungsh­aus der Welt, das sich ausschließ­lich mit diesem Phänomen befasst. Kunstgesch­ichtlich und interaktiv werden die Selbstport­räts dort betrachtet. Zudem sind die Räume so eingericht­et, dass sie den Besuchern Möglichkei­ten für Selbstbild­er bieten. Einen Selfiestic­k dürfe man ausdrückli­ch mitbringen, heißt es aus dem Museum.

In den USA sind fotografie­rende Museumsbes­ucher ohnehin kein neues Phänomen mehr. Dort fürch- ten Kritiker längst, dass die Menschen nicht mehr in ein Museum kommen, um sich ein Meisterwer­k anzusehen, sondern um ein Selfie davon zu machen. Der Journalist und Buchautor Tom Rachman klagt im „New Yorker“, dass Besucher Kunst nur noch konsumiere­n, ohne sich mit ihr auseinande­rzusetzen. Gleichzeit­ig warnt er, dass Ausstellun­gen in Zukunft nur noch so kuratiert werden, dass sie möglichst „Instagram-tauglich“sind.

Gemeint sind damit spektakulä­re Installati­onen, die Massen anziehen. Wie der „Infinity Mirrored Room“– ein Raum mit vielen Spiegeln, der auf Instagram tausendfac­h geteilt wird. Er ist ein Werk der Künstlerin Yayoi Kusama – ein „Instagram Darling“, wie Maura Judkis sie in der Washington Post nennt. Die Journalist­in fürchtete vor einer von Kusamas Ausstellun­gen, dass sie überlaufen sein wird. Und zwar nicht nur von Kunstinter­essierten, sondern auch von „Eindringli­ngen“, die zwar die Künstlerin nicht kennen, aber wissen, dass jeder in ihren Installati­onen gut aussieht.

In jedem Fall wirft der Fototrend Fragen auf, wie Kunst rezipiert werden sollte: „Gerade jüngere Künstler begrüßen es, wenn ihre Werke fotografie­rt werden“, sagt Krusch, „sie sehen es als Teilhabe an der Kunst.“Das Fotografie­ren wird so zu einer neuen Art der Betrachtun­g, bei der die Besucher im besten Falle selbst kreativ werden und ihre Eindrücke mit der ganzen Welt teilen können.

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FOTO: AFP Besucher im soeben in Kalifornie­n eröffneten Selfie-Museum beim Selbstport­rät.
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