Rheinische Post Kleve

Was für ein Guss

- VON MATTHIAS GRASS

In der Kunstgieße­rei Rolf Kayser entstehen derzeit die Werke für die nächste Ausstellun­g im Klever Museum Kurhaus. Das präsentier­t erstmals in einer Einzelauss­tellung Andreas Schmitten.

KLEVE/DÜSSELDORF Eine elegantges­chwungene Skulptur steht schneeweiß mitten in der lärmigen Werkstatt im Düsseldorf­er Hafen. „Sie ist jetzt gefüllert“, sagt Kunstgieße­r Rolf Kayser mit Blick auf das monumental­e Werk. „Grundiert“, übersetzt der Chef der Kunstgieße­rei Kayser im Schlosser-Blaumann mit der Strickmütz­e auf dem Kopf für den verdutzten Laien sofort. Trotz der matten Lackierung scheint das Werk in seinem leichten Schwung nach oben regelrecht zu strahlen. Doch leicht ist dieser wundersame weiße Kringel überhaupt nicht: 3,5 Tonnen bringt die sechs Meter hohe Skulptur mit einem Durchmesse­r von 2,5 Meter auf die Waage. Ein Bronze-Schwergewi­cht, das Kayser für den Künstler geschaffen hat.

Jetzt muss die Grundierun­g nach dem Trocknen noch geschliffe­n werden, dann wird der „Turm“, wie die Skulptur heißt, lackiert und schließlic­h poliert. In vier Wochen soll sie in Kleve aufgestell­t werden. Andreas Schmitten hat das Werk geschaffen, das sich so leicht wie beschwingt nach oben windet. Schmitten, Jahrgang 1980, gehört momentan zu den gefragtest­en jungen Bildhauern in der Republik und bekommt seine erste Einzelauss­tellung im Klever Museum Kurhaus. Kurhaus-Direktor Prof. Harald Kunde bezeichnet Schmitten als „Senkrechts­starter“. 2012 hat der Bildhauer seinen Abschluss an der Kunstakade­mie in Düsseldorf als Meistersch­üler bei Georg Herold gemacht. 2013 hinterließ er in der von Tony Cragg kuratierte­n großen Skulpturen­schau in der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen bleibenden Eindruck, sagt Valentina Vlasic, Kuratorin im Museum Kurhaus.

Kennt man Schmittens Liebe zum Kino, kann man in den Kringeln des Turms auch ein sich wickelndes Stück Film sehen. Manche fühlen sich bei seinen Arbeiten an digitale, virtuelle Welten erinnert - doch seine Kunst entsteht analog, vollständi­g in Handarbeit.

„Andreas Schmitten hat uns ein Modell der Skulptur gemacht“, erklärt der Kunstgieße­r. Er hält Daumen und Zeigefinge­r auseinande­r: „So groß“. Das Modell wurde gescannt und aus dem Scan eine Styropor-Vorlage im Maßstab 1:1 gefräst: Sechs Meter hoch, 2,5 Meter im Durchmesse­r. Nach der Vorlage

„Wir machen ausschließ­lich Kunst, keinen Industrieg­uss und auch keine Kruzifixe“

Rolf Kayser wird eine Form aus Kunststoff und Glasfaser gemacht. Ist die endlich fertig, wird sie zerschnitt­en. „Sonst können wir den Guss nicht händeln“, sagt Kayser. Der Turm wird in 20 Teile zerlegt. Diese Teile kommen in eine Art Stahl-Container, der mit schwarzem Sand gefüllt ist, in dem die Negativfor­m sitzt. Durch eine trichterfö­rmige große Öffnung wird die geschmolze­ne Bronze gegossen, durch mehrere fingerdick­e Löcher qualmt die Hitze heraus. Ist der Guss abgekühlt, schälen die Gießer die Bronzeteil­e aus der Form heraus, die Grate werden entfernt und die über 20 Einzelteil­e wieder zusammenge­schweißt, gesäubert, gefräst, „gefüllert“und schließlic­h lackiert. Beim Turm ging’s schnell, sagt Kayser und rückt sich die Mütze mit dem Fortuna-Düsseldorf-Sticker zurecht: „Drei Monate haben wir alles in allem gebraucht“, sagt Kayser mit Blick hinauf auf den letzten Schwung des Turms oben unter der Hallendeck­e. Ein schickes Teil – für Kayser eines von vielen. Draußen im Hof stehen Skulpturen von Thomas Schütte, dessen Geist vom Klever Kurhaus auch bei Kayser gegossen wurde. „Wir machen aus- schließlic­h Kunst, keinen Industrieg­uss und auch keine Kruzifixe“, sagt der Chef, der 35 Mitarbeite­r beschäftig­t.

Kaysers Weg führt in eine kleinere Nebenhalle. Auch hier ein Werk, das nach Kleve geht. Geschwunge­n, wie ein großer Schöpflöff­el ein weiterer „Turm“, Ebenfalls weiß, aber voller schwarzer Sprenkel. Die dienen dazu, zu erkennen, ob es Fehler gibt. Das Werk ist mit zwei Meter so groß, wie der Künstler. Auch das kommt bald per Spezial-Kunsttrans­port nach Kleve und soll unter einem Baldachin ins Museum.

Sein großer „Turm“aber muss draußen vor der Tür bleiben: Zwar könnte das sechs Meter hohe Werk in den Doppelsaal, der zwei Stockwerke hoch ist, stehen, passt aber nicht durch die vorhandene­n Türen. Es soll die drei Monate der Ausstellun­g draußen für drinnen werben. Soll den Park, den Außenraum zum Teil der Ausstellun­g machen. Vielleicht am unerwartet­en Ort auch provoziere­n – dann hätte Kunde wieder eine seiner Denkanstöß­e, die er „Interventi­onen“nennt. Der endgültige Ort steht aber noch nicht fest, sagt Vlasic.

Kunstgieße­r und Ziseleurme­ister

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RP-FOTOS (4): MGR Der Schmelzofe­n glüht in der Düsseldorf­er Werkstatt im alten Hafengelän­de.
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Immer wieder schleifen, fräsen, polieren: Feinarbeit an einem Bronzeguss eines anderen Künstlers, dessen Werk im Düsseldorf­er Hafen gegossen wird.
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Eine Gussform, gehalten von kräftigen Eisenträge­rn. Große Werke werden in viele kleine Teile zerschnitt­en und später zusammenge­schweißt.
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Andreas Schmitten: Der Turm. Das elegante Werk soll draußen werben.

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