Mama – der Star in der Manege
Lotta liebt Zirkus. Mit einer Schachtel Popcorn in der rechten und einem pausenlos in allen Regenbogenfarben blinkenden Zauberstab in der linken Hand verfolgt sie gebannt und mit offenem Mund, wie die Artisten in der Manege und unter der Kuppel des Zeltes ihre Kunststücke vollführen – und träumt insgeheim davon, selber auf den Sägespänen zu stehen, wie sie es im heimischen Wohnzimmer übt, seit sie zum ersten Mal Zirkusluft schnuppern durfte.
Doch das Strahlen der blonden Vierjährigen gefriert abrupt, als sie inmitten von Eltern und Großeltern erleben muss, wie Clown Rudi ausgerechnet ihre Mama als Assistentin in die Manege holt. Und Lotta kann im Gegensatz zum Rest der Familie und der anderen Besucher überhaupt nicht lachen, als es dem immer verzweifelter werdenden Clown nicht gelingt, der ausgewachsenen Studienrätin beizubringen, wie man aus einem Luftballon mit zwei Handgriffen einen Bogen formt für die geplante Wilhelm-Tell-Show.
Lotta kann erst wieder strahlen, als der selbst breit grinsende Spaßmacher nach dem irgendwie doch gelungenen Kunststück die Mutter zu ihrem Platz geleitet – belohnt mit einem blitzschnell geformten Luftballon-Hund.
Lotta ist erleichtert. Sie weiß jetzt das, was die älteren Familienangehörigen schon vorher wussten: Clownesse wird Mama nie . . .
JÜRGEN LOOSEN