Rheinische Post Kleve

Kängurus, Delfine und neue Freunde: Lina erlebt Australien

- VON LINA VAN DE LOO

Lina van de Loo (16) aus Uedem ist in den Sommerferi­en in ein Schuljahr in Australien gestartet. Sie berichtet von ihren Eindrücken.

UEDEM/WALCHA Einen Schüleraus­tausch zu machen, das heißt, Freunde und Familie für ein ganzes Jahr hinter sich zu lassen. Zuhause hinter sich zu lassen. Warum sollte man das tun, um dafür mit fremden Menschen an einem fremden Ort zu leben, ohne jeglichen Komfort von Zuhause?

Ich bin in Düsseldorf in ein Flugzeug gestiegen und habe mich über 30 Stunden später in Walcha, einem kleinen Ort in Australien, wiedergefu­nden. Walcha liegt etwa 200 Kilometer von der Küste entfernt, in einer Höhe von etwas über 1000 Metern. Im Ort selber wohnen 1500 Menschen, weitere 1500 leben, hauptsächl­ich als Landwirte, außerhalb der Ortschaft. Der nächstgröß­ere Ort ist 65 Kilometer entfernt. Bis dahin findet man in der Hügellands­chaft nichts anderes als riesige Wiesen mit trockenem Gras und Eukalyptus­bäumen, die das Zuhause von über einer Million Schafen und Rindern bilden.

Walcha hat eine unglaublic­h gute Gemeinscha­ft. Ich bin hier durch das Austauschp­rogramm von Rota- ry, und ich gehe zu den wöchentlic­hen Treffen meines Rotary Clubs in Walcha und zu sämtlichen anderen Aktionen meines Rotary Clubs, um dort zu helfen.

Obwohl ich mich selber als recht schüchtern beschreibe­n würde, habe ich von meinem ersten Schultag an eine Gruppe von Freunden gefunden, die mich sofort herzlich aufgenomme­n hat. Und das ist eine der vielen Sachen, die begründen, weshalb ich dieses kleine Dorf Walcha inzwischen so sehr liebe. Ich bezweifle, dass das in einer großen Stadt auf einer großen Schule so einfach gewesen wäre.

Es ist aber nicht so, als würde ich die ganze Zeit nur in Walcha „festsitzen“, ganz im Gegenteil. Ich war schon in vielen vermutlich eher unbekannte­n Orten sowie auch in Sydney und Australien­s Hauptstadt Canberra. Ich war sowohl weiter westlich in Australien, wo die Straßen sich für hunderte Kilometer strecken, ohne dass man auch nur einer Menschense­ele begegnet, als auch an verschiede­nen Orten entlang der Ostküste, wo man mit freien Delfinen im kristallkl­aren Meer schwimmen kann.

Die meiste Zeit bin ich aber doch in Walcha. Was also mache ich hier die ganze Zeit?

Wenn nicht gerade Ferien sind, gehe ich natürlich zur Schule. Zu meiner Schule gehen 270 Schüler vom Kindergart­en bis zum zwölften Jahrgang. In meinem Jahrgang sind 18 Schüler, und in einem meiner drei Kurse sind wir nur zu viert. Dass die Schule so klein ist, ist nicht der einzige Unterschie­d zu meiner Schule in Deutschlan­d. Die Schulunifo­rmen zum Beispiel waren zu Beginn sehr ungewohnt für mich. Und obwohl meine Schule ‚nur‘ eine kleine öffentlich­e Schule ist, ist sie sehr gut und modern ausgestatt­et. Sie verfügt unter anderem über zahlreiche Tablets und Laptops, Drohnen und einen 3D-Drucker. Auch das Schulgelän­de ist sehr groß, hat zahlreiche Sportplätz­e sowie eine eigene Farm mit Rindern, Schafen, Schweinen und Hühnern.

Die Schule endet um 15.10 Uhr. Danach geht es oft mit Freunden zum Pool in Walcha. Jeden Donnerstag ist „touch football“, ein Event, zu dem absolut jeder in Walcha geht, ganz egal ob man spielt oder nicht, man geht einfach hin.

Da es in Walcha nicht sonderlich viele Shops gibt, fahren wir entweder nach der Schule oder an Wochenende­n regelmäßig zu einer der nächstgröß­eren Städte. An Wochenende­n unternehme ich außerdem oft Dinge mit meiner Gastfamili­e, und auch in den Ferien bin ich mit meiner Gastfamili­e in den Urlaub gefahren.

Über das Jahr verteilt haben wir drei Treffen zusammen mit anderen Rotary-Austauschs­chülern. Das erste war ein Orientieru­ngs-Wochenende, während wir beim zweiten Treffen eine Woche zusammen am Meer verbracht haben und schnorchel­n gegangen sind. Das dritte ist eine Safari-Tour durch Australien. Dabei legen wir in drei Wochen mehr als 10.000 Kilometer mit dem Bus zurück, sehen den Uluru, reiten auf Kamelen und schwimmen im Great Barrier Reef.

Ich könnte eine unendlich lange Liste mit Dingen schreiben, weshalb ich Australien so sehr liebe. Selbst Dinge wie Pommes mit Bratensoße hätten einen Platz darauf. Aber an erster Stelle würde vermutlich stehen, dass es hier in Walcha unmöglich ist, das Haus zu verlassen, ohne dabei einem Känguru über den Weg zu laufen.

Zurück zu der Frage, warum man sein Zuhause für ein Jahr hinter sich lassen sollte: Meine Antwort darauf ist, dass ich jetzt ein zweites Zuhause am anderen Ende der Welt habe.

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FOTOS: VAN DE LOO In Walcha begegnet Lina ständig Kängurus – wobei sie in freier Wildbahn sicher nicht unbedingt so zutraulich sind wie hier bei dieser Gelegenhei­t.

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