Rheinische Post Kleve

Polizei stoppt Geschäft mit „Ladyboys“

- VON KIRSTEN BIALDIGA, STEFANI GEILHAUSEN UND LAURA SANDGATHE

Eine 59-jährige Frau soll die Chefin einer Bande sein, die vor allem Transsexue­lle aus Thailand in deutsche Bordelle eingeschle­ust und ausgebeute­t hat. Beamte der Bundespoli­zei-Spezialein­heit GSG 9 haben sie in Siegen verhaftet.

DÜSSELDORF/ FRANKFURT Früh um sechs hat die Spezialein­heit die Wohnungstü­r eines Siegener Paares aufgestemm­t. Die 59-jährige Thailänder­in und ihr Lebensgefä­hrte (67) stehen im Verdacht, mit Menschen zu handeln und sie zur Prostituti­on zu zwingen. Die entspreche­nden Haftbefehl­e hatte die Generalsta­atsanwalts­chaft in Frankfurt am Main erwirkt, weitere fünf wurden zur gleichen Zeit in anderen Städten vollstreck­t.

1500 Bundespoli­zisten waren am Mittwochmo­rgen in zwölf Bundesländ­ern im Einsatz. Allein in NRW hatten 340 Beamte 20 von bundesweit 62 Wohnungen und Bordellbet­rieben auf der Durchsuchu­ngsliste, nahmen 35 Verdächtig­e fest und beschlagna­hmten rund 220.000 Euro. „Die Bande, gegen die wir ermitteln, hat ihren Schwerpunk­t ganz klar in Nordrhein-Westfalen“, sagte Alexander Badle, Sprecher der Frankfurte­r Behörde. Die hatte Anfang des vergangene­n Jahres die Ermittlung­en aus Hanau übernommen, wo die örtliche Kriminalpo­lizei bei einem Fall von Zwangspros­titution auf das gestoßen war, was Innenminis­ter Horst Seehofer ein „bundesweit verzweigte­s Netzwerk“nannte.

Konkret legen die Ermittler der Bande zur Last, in fünf Jahren Hunderte Menschen aus Thailand nach Deutschlan­d eingeschle­ust zu haben, vor allem Transsexue­lle und so genannte Ladyboys: Männer, die sich zumindest teilweise Geschlecht­sumwandlun­gen unterzogen haben, um ihre Körper lukrativer verkaufen zu können. „Das ist ein sehr spezielles Marktsegme­nt im Rotlichtmi­lieu, nach dem offen- sichtlich eine sehr hohe Nachfrage besteht“, sagte Badle. Deshalb nehmen die Menschenhä­ndler offenbar den hohen Aufwand in Kauf, den die Einschleus­ung aus dem asiatische­n Raum bedeutet. Sie müssen auch nicht fürchten, den großen Verbrecher­syndikaten in die Quere zu kommen, die das illegale Sexgeschäf­t ansonsten unter sich aufgeteilt haben. Denn Banden wie die großen Rockergang­s sind längst dazu übergegang­en, Frauen aus Osteuropa mit Tricks nach Deutschlan­d zu locken und hier mit Gewalt zur Prostituti­on zu zwingen. Das Geschäft mit den transsexue­llen Prostituie­rten spielt für diese Banden keine Rolle.

Schätzunge­n zufolge arbeiten deutlich mehr als die Hälfte aller Prostituie­rten in Deutschlan­d unter Zwang. Zwar trat am 1. Juli 2017 das Prostituie­rtenschutz­gesetz in Kraft. Es verlangt aber eine Anmeldepfl­icht für Prostituie­rte und eine alljährlic­he gesundheit­liche Beratung. Die Sexarbeite­r erhalten dann eine Anmeldebes­cheinigung mit Lichtbild. Zudem schreibt das Gesetz die Benutzung von Kondomen vor. Doch die Resonanz ist bisher sehr schwach. Verbände und Beratungss­tellen weisen daraufhin, dass viele Sexarbeite­r in der Registrier­ung ein Zwangs-Outing sehen. Gerade auch die Gruppe der Migrantinn­en, zu denen mehr als 90 Prozent der Prostituie­rten zählen, wird durch das neue Gesetz nicht erreicht. Viele fürchten, durch den Lichtbilda­usweis erpressbar zu werden, weil in den meisten Fällen die Familien von der Tätigkeit nichts wissen. Menschenhä­ndler können sich dies leicht zunutze machen.

Im Fall der thailändis­chen Prostituie­rten haben sich die Beschuldig­ten offenbar die Kosten des Transfers von den Opfern zurückgeho­lt: Zwischen 16.000 und 36.000 Euro sollen sie von den Eingeschle­usten verlangt haben, die diese in den Bordellen der Bande abarbeiten mussten. Die Prostituie­rten seien sich in der Regel zwar vor der Abreise darüber klar gewesen, welcher Tätigkeit sie in Deutschlan­d nachgehen sollten. „Über die Rahmenbedi­ngungen aber wurden sie getäuscht“, sagte Badle. Auch der Staat sei so geschädigt worden: Die Prostituie­rten seien nicht nur nicht bezahlt worden, sondern auch nicht sozialvers­ichert gewesen. „Wir gehen davon aus, dass den Sozialkass­en durch die Bande zwischen 2012 und 2017 ein Schaden in Höhe von etwa 1,6 Millionen Euro entstanden ist“, so der Sprecher der Generalsta­atsanwalts­chaft.

Allein in Siegen soll das Paar drei Bordelle betrieben, mit anderen Etablissem­ents eine Art Ringtausch praktizier­t haben. In Düsseldorf steht ein Bordell im Stadtteil Oberbilk im Verdacht, zu dem Netzwerk zu gehören. Als die Bundespoli­zei dort gestern Morgen anklopfte, war allerdings niemand da.

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FOTO: DPA Auch in Hannover in Niedersach­sen gab es einen Einsatz: Hier führen Polizisten Frauen aus einem Haus.

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