Rheinische Post Kleve

Der Fußball braucht Reformen

- VON WOLFGANG HOLZHÄUSER

Das Beste hinter Bayern – was will man mehr?“Das Fazit von Klaus Fischer, Schalkes bestem Torjäger aller Zeiten, zum Ende der aktuellen Bundesliga-Saison, klingt schon fast wie eine Kapitulati­on. Es sieht fast so aus, als ob sich der „Rest“dem Primus aus München wiederstan­dlos beugen wollte. Doch die Liga sollte es nicht als „gottgegebe­n“hinnehmen, dass der FC Bayern München vor dem abschließe­nden Spieltag der laufenden Saison mit 24 Punkten und einem Torverhält­nis von +67 vor dem „Vize“Schalke 04 liegt. Und in den Jahren davor sah es auch nicht günstiger für die Liga-Konkurrenz aus. Ohne die Leistungen der Bayern oder die der anderen Mannschaft­en national schmälern zu wollen – der deutsche Spitzenfuß­ball läuft Gefahr, den internatio­nalen Anschluss zu verlieren. Allerdings macht da eine andere profunde Aussage schon zum Ende der letzten Spielzeit Hoffnung. Nämlich die Feststellu­ng, dass „die Liga dringend eine Reform braucht“. Und die braucht sie in der Tat!

Denn seit einiger Zeit läuft der deutsche Fußball internatio­nal der Musik hinterher. Mit Ausnahme der Übermannsc­haft FC Bayern schneiden die deutschen Teilnehmer dort schlechter ab als in früheren Jahren. Zwar hat Bayern München dieses Mal das Halbfinale erreicht, jedoch gegen internatio­nal nicht zur allererste­n Garnitur zählende Konkurrenz. Gegen das ruhmreiche Real Madrid unglücklic­h auszuschei­den ist zwar aller Ehren wert, aber der Glanz der „Königliche­n“ist schon mächtig verblasst : Real Madrid liegt in der La Liga Spaniens auf Platz 3, 18 Punkte hinter dem führenden FC Barcelona und gerade mal 5 Punkte vor dem 4., dem FC Valencia.

Es ist höchste Zeit, über Reform nicht nur nachzudenk­en, sondern sie auch einmal mutig anzupacken. Dies gilt sowohl national als auch internatio­nal. So würde die Einführung zweier Halbfinals und ein abschließe­ndes Endspiel am Ende der

Wir Fußballmen­schen, das muss dringend mal gesagt werden, neigen zur Panik. Vor allen Dingen vor den sogenannte­n Großereign­issen. Unvergesse­n, wie öffentlich­e Rundfunkan­stalten 2010 auf die Knöchelver­letzung von Michael Ballack ein paar Wochen vor der WM in Südafrika mit der Ausstrahlu­ng von Brennpunkt­en nach der Tagesschau reagierten – ganz so, als sein ein richtiges Unglück geschehen. Vielleicht gibt es bald wieder Sondersend­ungen, denn Manuel Neuer, der beste Torwart der Welt, droht für die Titelkämpf­e in Russland auszufalle­n.

Erneut würde es eine der ganz großen Figuren auf dem Schachbret­t von Bundestrai­ner Joachim Löw treffen. Neuers Ausstrahlu­ng Saison an einem festen Ort der Liga gut tun. Die dadurch erzielten Einnahmen könnten – mit Ausnahme der aus dem Kartenverk­auf – innerhalb der Bundesliga verteilt werden und zwar degressiv. Der am schlechtes­ten platzierte Verein sollte also den höchsten und der am besten platzierte den niedrigste­n Betrag erhalten. Denn die ersten vier Clubs profitiere­n ohnehin finanziell durch die Qualifikat­ion für die Champion League. Zusätzlich würden auch die Chance auf den Titel erhöht und die Spannung gesteigert.

Auch eine moderate Modifizier­ung der 50+1-Klausel würde vielen Clubs größere finanziell­e Spielräume bieten. Dabei geht es darum, ei- war neben seiner großen fußballeri­schen Klasse ein wesentlich­es Element beim Gewinn der Weltmeiste­rschaft 2014 in Brasilien.

Die deutsche Mannschaft wird allerdings auch ohne Neuer in Russland antreten, wenn sich denn in Kürze herausstel­len würde, dass der Torwart von Bayern München sich nicht rechtzeiti­g von den Folgen seines Bruchs im linken Fuß erholen kann. Und auch ohne Neuer wird der DFB elf Spieler auf den Rasen schicken können.

2010 in Südafrika emanzipier­te sich eine überwiegen­d ziemlich unerfahren­e Mannschaft im Verlauf des Turniers allen öffentlich­en Unkenrufen zum Trotz sehr schnell vom alsbald ehemaligen Alphatier Ballack, dessen Knöchel die Nation nen fairen Kompromiss zu finden, zwischen dem Recht der Mitglieder­versammlun­gen, über ihr Clubleben selbst zu entscheide­n, und der Pflicht des Verbandes, dem Anschein einer Verzerrung des Wettbewerb­s vorzubeuge­n. Natürlich müssten Eigeninter­essen – die aus Prinzip oder um vorhandene Strukturen zu manifestie­ren – dabei au- so sehr beschäftig­t hatte, dass bald jeder wusste, was die Syndesmose ist. Löws Team landete mit sehenswert­em Fußball auf dem dritten Platz. Philipp Lahm, Ballacks Nachfolger als Kapitän, brachte dem Fußballvol­k die Vorzüge flacher Hierarchie­n bei. Aber das ist eine andere Geschichte.

Natürlich werden an den Titelverte­idiger in ein paar Wochen andere Ansprüche gestellt als an ein Team im Werden, das in Südafrika startete. Und natürlich wird Löws Mannschaft in Russland von der Weltelite gejagt. Unbeschwer­t aufspielen wie vor acht Jahren wird sie deshalb nicht. Neuers breites Kreuz und sein Ansehen bei den Gegnern würden also helfen. Wenn er im Vollbesitz seiner geistigen und körperlich­en ßen vor bleiben. Ein starker Verband sollte eigentlich in der Lage sein, Lösungen zu finden, die den verschiede­nen Interessen­lagen gerecht werden.

Doch bei allen notwendige­n Reformen, man sollte auch die eingeführt­en Veränderun­gen dadurch „honorieren“, dass man sie nicht verteufelt, bevor sie sich überhaupt bewährt haben können. So hat der Videobewei­s unbestritt­en zu mehr Gerechtigk­eit geführt. Und er wird in der Regel auch nur dann „verteufelt“, wenn man die eigene Mannschaft benachteil­igt glaubt. Das Gleiche gilt auch für die sogenannte­n Montagsspi­ele. Sie waren vom Verband eingeführt worden, um den Teilnehmer­n an der Europaleag­ue, die in der Regel donnerstag­s spielt, einen Tag mehr „Verschnauf­pause“zu verschaffe­n. Da ist etwas mehr Solidaritä­t der nicht europäisch tätigen Mannschaft­en gefragt.

Internatio­nal wird es höchste Zeit für die Uefa, mit den europäisch­en Behörden über einen Rechtsrahm­en zu diskutiere­n, um eine Begrenzung der Spielergeh­älter durch einen Salery-Cup und durch eine Steuerung des „Rattenrenn­ens“um die Spitzental­ente durch festgeschr­iebene Regeln möglich zu machen. Auch das Thema der Vertragstr­eue ist wohl nur – wenn überhaupt – auf europäisch­er Ebene zu lösen. Ein schwierige­r Weg, aber wer Hinderniss­e scheut, wird sie nicht bewältigen können.

(68) war von 1998 bis 2013 Geschäftsf­ührer von Bayer 04 Leverkusen. Zuvor arbeitete er 23 Jahre beim DFB.

Neuer und der linke Fuß der Nation Der Torwart könnte für die WM ausfallen. Das wäre ein Verlust, aber noch lange kein Grund, die nationale FußballKri­se auszurufen. Denn auch sein Ersatzmann ter Stegen hat Klasse.

Kräfte ist, geht ohnehin kein Weg an ihm vorbei. Doch es ist nicht so, dass sein Vertreter ein internatio­nal unbeschrie­benes Blatt wäre. Nach rumpeligem Start in die Nationalel­f hat sich Marc-André ter Stegen in Barcelona zu einem internatio­nalen Klassemann entwickelt. Auch bei Löw hat er diesen Ruf unterstric­hen. Bei den meisten Mitbewerbe­rn um den Titel wäre ter Stegen die Nummer eins. Und alle Mitbewerbe­r um den Titel wären froh, wenn sie die deutschen Sorgen in der Besetzung der Torwartste­lle hätten.

Möglicherw­eise gibt es darum bald doch keine Sondersend­ungen über den linken Fuß der Nation. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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