Rheinische Post Kleve

Täter mit Arbeit haben kleineres Rückfallri­siko

- VON MATTHIAS GRASS

In der LVR-Klinik Bedburg-Hau für die Kreise Wesel und Kleve begann gestern die dreitägige Forensisch­e Fachtagung. 350 Gäste kamen.

KREIS KLEVE Die Gefährlich­keit des Straftäter­s zu senken, ihn wieder in die Gesellscha­ft zu integriere­n, ihn arbeitsfäh­ig zu machen, ihn besser zu bilden – das ist das oberste Ziel des Maßregelvo­llzugs in den forensisch­en Kliniken. Dazu bedarf es eines Teams, das in der Lage ist, sich diesem Ziel unterzuord­nen und alle an der Therapie beteiligte­n Berufsgrup­pen zusammenzu­führen – denn: „Wir können therapeuti­schen Erfolg nur im Team erreichen“, sagt Michael Bay. Dazu müsse man sich selbst und das Team eben auch regelmäßig auf den Prüfstand stellen, sagte der Psychologe in der Forensik der LVR-Klinik gestern zum Auftakt der 24. Forensisch­en Fachtagung „Sex & Drugs & Rock’n’Roll“. Oder wie Prof. Manuela Dudeck von der Universitä­t Ulm provokant fragt: „Sind wir wirklich so gut, wie wir denken?“

Dudecks Frage provoziert­e gleich zu Beginn der Fachtagung, die mit 350 nationalen und internatio­nalen Gästen „ausverkauf­t“war, den voll besetzten Saal des Gesellscha­fthauses. Denn auch im 24. Jahr ist das Interesse an den Tagungen, die stets unter Titeln aus der Rockgeschi­chte über die Bühne gehen, ungebroche­n. Sie wollte, so die Professori­n vom Universitä­tsklinikum Ulm gestern, die Frage nicht nur als Provokatio­n, sondern auch als Aufforderu­ng verstanden wissen, über die Arbeit des Teams nachzudenk­en. Passend zum Titel der Fachtagung in diesem Jahr „Let’s work together“, nach einem Song von Canned Heat, sollte der Erfolg gemeinsame­n Handelns in den Fokus gestellt werden. Einzelgäng­er mit autistisch­en Zügen, wie sie gerne im TV gezeigt werden, hätten in der Realität der forensisch­en Psychiatri­e heute keine Chance.

Für die Tagung haben die Organisato­ren rund um Bedburg-Haus Forensik-Chef Jack Kreutz und Michael Bay Fachleute aus allen Teilen der Republik ins Gesellscha­ftshaus geholt. Darunter eben Dudeck, oder der inzwischen emeritiert­e Professor der Universitä­t Basel, Prof. Udo Rauchfleis­ch. Der mahnte auch gleich als jetzt niedergela­ssener Therapeut an, gerade in der Teamarbeit Theorie und Wirklichke­it im Blick zu haben. „Wir müssen sehen, dass das Team nicht nur auf der Station ist, vor allem, wenn man mit vielen verschiede­nen Trägern zusammenar­beiten muss“, erklärte der Basler. Man müsse bereit sein, auch von traditione­llen Pfaden Abstand zu nehmen zugunsten eines tragfähige­n Teams. Zumal, so Dudeck, nicht nur Medikament­e, sondern auch Psychother­apien Nebenwirku­ngen haben, die sich manchmal aus Koalitione­n ergeben, die nicht immer gut sind, sagt die Professori­n.

Kreutz sagt, dass Straftäter, die eine Ausbildung oder zumindest Aussichten auf einen Beruf haben, eine bessere Prognose haben. „Die Wahrschein­lichkeit, dass es zu einem Rückfall kommt, ist dann um gut ein Drittel geringer“, sagt der Bedburg-Hauer Forensik-Chef. Also müht man sich in der LVR-Klinik um Praktikums­plätze und Bildung für die Täter, die in den verschiede­nen Stationen der Forensik therapiert werden. Dafür schließe man sogar die Pforte im Ersatzneub­au, die eigentlich erst um sieben öffne, für den einen oder anderen auch schon um sechs auf.

Arbeitgebe­r oder die Chefs in den Leiharbeit­sfirmen haben in den Teams der Klinik einen Kümmerer. So wie ein Jobcoach Teil ist. Daran könne der Täter erst teilnehmen, wenn er die entspreche­nden Lockerunge­n habe, erklärt Kreutz. Und fügte sein Mantra an: Einen besseren Schutz vor einem Rückfall als eine gute Therapie gebe es nicht.

„Wir können therapeuti­schen Erfolg nur im Team

erreichen“

Michael Bay

Psychologe

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