Rheinische Post Kleve

Pfingst-Zeitreise in der Viller Mühle

- VON ELIANA BERGER

Der „wahnsinnig­e Puppenspie­ler“Heinz Bömler öffnet an Pfingsten wieder sein außergewöh­nliches Antiquaria­t in der Viller Mühle.

GOCH Neulich, da lief eine alte Dame unter einem rot leuchtende­n Schriftzug in der Viller Mühle hindurch. „Burgtheate­r“stand dort in Neonbuchst­aben. Der Name des alten Klever Kinos. Die Frau, erzählt Puppenspie­ler Heinz Bömler, hatte Tränen in den Augen. „Sie sagte: ‚Da habe ich meinen ersten Kuss bekommen.‘“

Alte Erinnerung­en wecken – darum geht es Bömler. Seine Viller Mühle ist ein nostalgisc­her Ort. Es gibt kaum jemanden in der Region, der den „wahnsinnig­en Puppenspie­ler“und seine zeitgeschi­chtliche Sammlung nicht kennt. An Pfingstson­ntag und –montag veranstalt­et er auch in diesem Jahr den Tag der offenen Tür. Wer etwas Altes mitbringt (als „alt“gilt alles, das vor 1960 hergestell­t wurde), spart sich den Eintritt von fünf Euro. Ein altes Gläschen Babynahrun­g von Alete, schlägt Bömler vor. Zum Beispiel Milchbrei aus dem Jahr 1958. Die Sammlung muss schließlic­h wachsen.

Antiquität­en haben den Nachteil, dass es sie nicht neu zu kaufen gibt. „Das alte Zeug wächst nicht nach“, sagt Bömler. Vielleicht erfreut es sich gerade deshalb so großer Beliebthei­t.

Im Fernsehen wird gerade in letzter Zeit viel getrödelt: Bares für Rares, Trödeltrup­p, Trödelboom und Schnäppche­njagd – Leute schauen anderen Leuten gerne dabei zu, wie sie mit alten Dingen handeln. Oder sie besorgen sich selbst welche, auf entspreche­nden Märkten, die aber, wie Bömler sagt, immer mehr neues Zeug anbieten. Deshalb sorgt er vor und sammelt selbst: „Der Müll von heute ist die Antiquität von morgen.“

63 alte Läden gibt es in der Viller Mühle zu sehen, dazu hunderttau­sende alte Gegenständ­e. Sie tau- chen in Filmen wie „Das Wunder von Bern“oder „Der Vorleser“auf, reisen für Dreharbeit­en bis nach New York. Wie viele Gegenständ­e er genau besitzt, kann Bömler nicht mehr nachvollzi­ehen. Dafür weiß er, welcher sein liebster ist. Ganz unnostalgi­sch und pragmatisc­h: „Der 500 Euro Schein.“

Eine Antwort, die ausgesproc­hen angemessen ist für einen Mann, der seine Firma „Lug & Betrug“nennt. Wenn es nach ihm geht, sollte jeder seine eigene Betrugsfir­ma eröffnen – auch seine Besucher dürfen es mit der Betrügerei probieren. „Ich muss ja nicht drauf reinfallen“, sagt Bömler.

An Pfingsten können Gäste die Mühle zwischen 11 und 18 Uhr besuchen. Es gibt regelmäßig­e Führungen, aufgebaut ist zum Beispiel ein alter Jahrmarkt. Bömlers Motto dabei: „Die Nichtigkei­t der Wichtig- keit“. Er erzählt von Managerver­anstaltung­en; Dingen, die unwichtig sind und solchen, die wichtiger genommen werden sollten. „Das Einzige, was zählt, ist ein gutes Gefühl und Gesundheit.“Der Plan des 76Jährigen für die Zukunft: Er macht weiter – „bis 2048.“

Bömler wird wohl weiterhin alte Erinnerung­en wecken. Vielleicht stößt seine Suche ihn auch wieder auf seine eigene Vergangenh­eit zu- rück. Früher, in einem Leben vor der Viller Mühle, stellte Bömler einmal Farbbänder für Schreibmas­chinen her. „In Zeiten von Computern sind die natürlich tot“, sagt er. Auf einem Flohmarkt in Aachen entdeckte Bömler dann aber plötzlich ein Farbband aus eigener Produktion, Jahrgang 1972. „Da hatte ich Gänsehaut.“Was für die Trödler vielleicht Müll war, kehrte als Antiquität in seinen Besitz zurück.

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RP-ARCHIVFOTO: EVERS Kinderspie­lzeug aus längst vergangene­n Zeiten und vieles, vieles mehr gibt es am Sonntag und Montag in der Viller Mühle zu bestaunen.

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