Wo beginnt Rassismus?
DÜSSELDORF Nun ist so viel von Gruppen die Rede, von „den Muslimen“, „den Flüchtlingen“, „den Biodeutschen“. Und das ist ja auch notwendig, wenn man in einer immer komplizierteren Welt gesellschaftliche Entwicklungen in den Blick nehmen will. Doch wenn es Probleme gibt zwischen diesen Gruppen, wenn sich Altkunden an einer Lebensmittel-Ausgabe bedrängt fühlen von „den Migranten“oder wenn in Berlin arabisch sprechende junge Männer auf Gleichaltrige losgehen, weil die eine jüdische Kippa tragen, dann ist da diese Schwierigkeit: Probleme müssen benannt werden, um sie anzugehen. Doch wer sie Gruppen zuschreibt, findet sich bald im Feld der Verallgemeinerungen und Stereotype wieder. Laden die sich emotional auf, etwa weil Vorfälle sich häufen, entstehen Vorurteile. Dann reden die einen vom „importierten Antisemitismus“, den „die Flüchtlinge“ins Land gebracht hätten, während die anderen auf Polizeistatistiken pochen und antisemitische Straftaten nur bei Rechten angesiedelt wissen wollen. Dabei gibt es natürlich beides. Beides müsste diskutiert werden, ohne zu diffamieren, ohne zu relativieren, ohne sich in Einzelfällen zu verheddern. Wie also denken, reden, sprechen über solche Themen?
„Die Schublade immer ein bisschen offen lassen“, rät Alexander Reeb, interkultureller Trainer und Leiter eines Seminaranbieters mit Sitz in Göttingen. Stereotype seien durchaus nützlich, um sich in einer komplexen Welt zu orientieren. Doch sollte man Gruppen nie für homogen halten, sondern sich bewusst machen, dass Menschen auch innerhalb einer Gruppe unterschiedlich sind. „Sonst hindern einen bestimmte Erlebnisse daran wahrzunehmen, dass man mit anderen Vertretern einer Gruppe auch ganz andere Erfahrungen machen kann“, so Reeb. Das sogenannte Weltbild werde dann immer enger.
In seinen Seminaren macht Reeb ein einfaches Spiel: Er fordert die Kursteilnehmer auf, aus dem Fenster zu schauen und zu notieren, was sie sehen. Vergleichen sie nach ein paar Minuten ihre Notizen, haben sie höchst unterschiedliche Beobachtungen gemacht. „Das zeigt, wie unterschiedlich wir Menschen denken und wahrnehmen“, sagt Reeb. Wer jedoch von „den Ausländern“oder „den AfD-Wählern“als homogener Gruppe ausgehe, gestehe den Menschen in dieser Gruppe Unterschiede nicht mehr zu.
Wenn dann noch Machtgefälle ins Spiel kommen, wenn ein Lehrer, ein Polizist oder ein Wohnungsmakler in einer konkreten Person alle anderen erblickt, die ähnlich aussehen und denen er negative Eigenschaften unterstellt, wird aus Vereinfachung Diskriminierung. Der Einzelne wird dann etikettiert, er kann nicht mehr für sich selbst stehen, sondern wird nur noch als Vertreter einer Gruppe behandelt, der dies und das zugeschrieben wird. Dann werden Menschen mit dunkler Hautfarbe eben häufiger gefilzt. Kinder aus HartzIV-Familien zur Hauptschule geschickt. Oder Flüchtlinge bekommen keine Wohnung.
Mit alltäglichem Rassismus kennt Mohamed Amjahid sich aus. Er ist in Deutschland und Marokko aufgewachsen, lebt heute als Journalist in Hamburg und Berlin und hat ein Buch darüber geschrieben, wie es ist, wenn man nach seinem Aussehen und der vermuteten kulturellen Zugehörigkeit behandelt wird, wie es also ist „unter Weißen“– so der Titel seines Buchs. Darin beschreibt er, wie Leute plötzlich ihre Handtasche umklammern, wenn er sich in der Bahn neben sie setzt. Oder was passiert, als er in einer Drogerie zu viel gezahltes Wechselgeld zurückgibt: „Von Leuten wie Ihnen hätte ich das nie erwartet“, sagt der Kassierer.
„Rassismus ist eine Methode, sich über andere zu erheben, um sich besser zu fühlen. Dieses Verhalten wird er-
Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt.
Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.
Ist man Rassist, wenn man so etwas denkt? Oder erst, wenn man es sagt? Oder es öffentlich äußert?
Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land. Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt. Ich finde es empörend, wenn sich die Langzeitarbeitslosen auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen. Wer irgendwo neu ist, sollte sich erst mal mit weniger zufrieden geben.