Auf der Spur der ersten Amerikaner
In der südamerikanischen Serra da Capivara sollen bereits vor mindestens 30.000 Jahren Menschen gelebt haben.
SERRA DA CAPIVARA Wenn diese Felsen doch erzählen könnten. Es wäre eine Geschichte vom Anfang der Besiedlung Südamerikas. Denn die Felsüberhänge in der Serra da Capivara boten wohl mehrere Zehntausend Jahre lang Schutz für die ersten Menschen, die als Jäger und Sammler in den Wäldern lebten. „Ich bin überzeugt, dass diese Gegend seit mindestens 100.000 Jahren kontinuierlich besiedelt ist“, sagt Niéde Guidon. Die brasilianische Archäologin kennt jeden der 950 Felsüberhänge, an denen die Forscher in der Serra da Capivara Spuren der frühen Menschen gefunden haben.
Die Felsen sind bedeckt von Malereien. An mehr als 80 Stellen haben die Wissenschaftler Sedimente teilweise 14 Meter tief abgetragen und alte Feuerstätten, Werkzeuge oder Schmuck aus Tierknochen freigelegt. Trotzdem bewerten viele Archäologen die Beweise noch als dürftig. Denn falls Niéde Guidon Recht behält, müsste die Geschichte der Besiedlung Amerikas neu geschrieben werden. „Die ersten Siedler kamen vor mehr als 100.000 Jahren mit einfachen Booten über den Atlantik aus Afrika“, sagt die resolute Frau. Allein ihre Stimme lässt keine Zweifel offen.
Doch die Felsen der Serra da Capivara geben ihr Geheimnis nur langsam preis. Die Sedimente sind sauer, menschliche Knochen bleiben in solcher Umgebung nicht lange erhalten. Guidons Team argumentiert mit einfachen Steinwerkzeugen: Kiesel mit Absplitterungen, die nach ihrer Ansicht von Menschen als Klingen bearbeitet wurden. Viele Altersbestimmungen stammen von verkohlten Holzresten, die wie an einer Feuerstelle mit Steinen umrundet waren. Offenbar wurden bestimmte Plätze über Jahrtausende regelmäßig als Feuerstelle genutzt, aber sicher ist das nicht. Die Steine könnten zufällig entstanden, die Kohlen nur Reste eines Waldbrandes sein.
Viel eindeutiger gelingt die Datierung der Felsbilder, die die Serra da Capivara berühmt gemacht haben: Strichzeichnungen in einem warmen, lebendigen Rot. Sie zeigen Pflanzen, Tiere und Menschen. Ihre Körper bestehen aus Linien und unförmigen Kreisen, manche Flächen sind ausgemalt. Diese Bilder vom Alltag der frühen Menschen sind zwischen 6000 und 12.000 Jahre alt. Sie belegen, dass Menschen über einen langen Zeitraum in der Serra da Capivara gelebt haben. „Der Nordosten Brasiliens bildete in der Frühzeit der Besiedlung des amerikanischen Kontinents einen Hotspot“, bestätigt Markus Reindel vom Deutschen Archäologischen Institut in Bonn, der in dem Nationalpark forscht. Es sei unbekannt, warum sich dort keine komplexe Gesellschaft gebildet habe, keine frühe Hochkultur entstanden sei, ergänzt er.
Dass die Serra da Capivara sich zu einem der spannendsten Forschungsorte für Archäologen entwickelt hat, liegt an Niéde Guidon. Die Wissenschaftlerin ist mittlerweile 85 Jahre alt, wohnt am Rande des Nationalparks, dem sie ihr Leben gewidmet hat. Sie hat sich von einer schweren Krankheit erholt und besucht jetzt wieder regelmäßig die Forscher, die im Park arbeiten. Die wissenschaftliche Leitung hat Guidon an eine Stiftung übertragen. Die Fumdham-Stiftung hat ein Museum und Labore errichtet, koordiniert die internationalen Projekte und bildet junge Forscher aus. „Wir haben sämtliche Ausrüstung, die wir benötigen“, sagt Niéde Guidon, „was uns fehlt, ist Geld für Mitarbeiter.“Diesen Satz hat sie schon tausendmal gesagt. Seit der Gründung
Der Nordosten Brasiliens bildete in der Frühzeit der Besiedlung
einen Hotspot
ist der Park chronisch unterfinanziert. Für den Schutz der Bilder und den Betrieb fehlt es an allen Ecken an Personal.
Niéde Guidons leidenschaftliche Beziehung zur Serra da Capivara begann 1963, als ihr ein Besucher einer Ausstellung in Sao Paulo ein paar Fotos zeigte. Sie wollte noch im gleichen Jahr dorthin, aber das Wetter verhinderte die Reise in die schlecht zugängliche Region. Dann putschte das brasilianische Militär, und Guidon floh nach Frankreich. Es dauerte sieben Jahre, bis die Wissenschaftlerin endlich die Malereien mit eigenen Augen sehen konnte und sofort ihren Wert erkannte.
1978 begann Guidon im Boden unterhalb der Zeichnungen mit der Suche nach weiteren Hinterlassenschaften der früheren Bewohner. Als sie von einem Labor in Paris das Ergebnis der ersten Altersbestim- mung der gefundenen Holzkohlenreste erfuhr, hielt sie das zunächst für falsch: „50.000 Jahre, das konnte nicht stimmen“, erzählt sie. Das Alter der Funde widersprach der damals üblichen Theorie, dass die ersten Menschen in Amerika zu Fuß aus Asien über die trocken gefallene Beringstraße eingewandert waren. Mit diesem Marsch nach Amerika soll demnach vor etwa 16.000 Jahren die Besiedlung Amerikas begon-
Diese Geschichte spielt in einer Zeit, in der es noch nicht möglich war, für ein paar Euro mit dem Billigflieger um die Welt zu jetten. Euro gab es ohnehin noch nicht, nur Euroschecks. Der Held der Story ist keiner, er ist Träumer, Raucher, Ehemann und Vater einer Tochter; Abenteurer hingegen war er nie. Jedenfalls geht er eines Tages los, durchs Treppenhaus und raus, an der Ecke warten schon die Taxen. Er könnte sofort los, traut sich nur nicht. er ist noch mit Hans Rosenthal verabredet. nen haben. Vom Norden zogen die Menschen bis in den südlichsten Zipfel des Kontinents. Diese Theorie war vor allem in Nordamerika populär.
Doch Guidons Zahlen passten nicht dazu, mehr als 30 Jahre musste sie für die Anerkennung ihrer Ergebnisse kämpfen. „Erst im Oktober 2013 wurde die alte Theorie zur Besiedlung Amerikas bei einer Experten-Tagung endgültig begraben“, so Reindel, „heute gibt es kaum Zweifel, dass bereits vor mindestens 30.000 Jahren Menschen in der Serra da Capivara lebten.“
Niéde Guidon reicht das nicht. Genetische Untersuchungen stützen mittlerweile ihre Theorie, dass die ersten Bewohner Südamerika auf dem Seeweg kamen. Denn Genetiker der Harvard-Universität fanden 2016 im Erbgut der Urvölker Amerikas typische DNA-Fragmente, wie sie auch bei Menschen aus dem pazifischen Raum vorkommen. „Ich habe keine Zweifel mehr“, sagt Guidon.
Träumer, Raucher, Ehemann
Diese Geschichte ist eigentlich ein Song. Wie heißt er?
Lösung bitte mit kompletter Adresse bis 29. Mai an Rheinische Post, Kultur, „Sphinx“, 40196 Düsseldorf. E-Mail an: kultur@rheinische-post.de. Unter den Einsendungen verlosen wir ein Buch. kl Auflösung vom 16. Mai: Diesmal fragten wir nach dem Süchtelner Stadtlied aus der Feder von Albert Vigoleis Thelen. Unter den vielen richtigen Einsendungen ermittelten wir Frau Christa Kautz aus Monheim als Siegerin. Herzlichen Glückwunsch.