Rheinische Post Kleve

Plante 57-Jähriger Mord an Staatsanwa­lt?

- VON JENS HELMUS

Schlüsseld­ienst-Prozess: Laut einem gestern ergangenen Haftbefehl soll der ältere der beiden Angeklagte­n versucht haben, einen Mithäftlin­g in Kleve mit der Ermordung des Leitenden Staatsanwa­ltes zu beauftrage­n.

KLEVE/GELDERN/WEEZE Wucher, Betrug, Steuerhint­erziehung und nicht geleistete Sozialabga­ben im großen Stil werden einem 57-jährigen Unternehme­r aus Geldern und dem Geschäftsf­ührer aus Kevelaer vorgeworfe­n. Seit knapp zwei Jahren sitzt er in Untersuchu­ngshaft, seit Januar läuft der Prozess gegen ihn und den ehemaligen Geschäftsf­ührer der Deutschen Schlüsseld­ienst-Zentrale (DSZ) am Klever Landgerich­t.

„So kommen Sie der Verantwort­ung Ihren Kindern gegenüber ganz sicher nicht nach“

Christian Henckel

Vorsitzend­er Richter

Die Vorwürfe, die ein vom Klever Amtsgerich­t und der Staatsanwa­ltschaft auf den Weg gebrachter Haftbefehl nun gegen den 57-Jährigen erhebt, stellen die aktuelle Anklage in den Schatten: Der Gelderner soll in der Klever Justzizvol­lzugsansta­lt versucht haben, einen Mithäftlin­g mit der Ermordung von Staatsanwa­lt Timmer zu beauftrage­n.

„Sie wissen, was heute auf Sie zukommt?“, fragte der Vorsitzend­e Richter Christian Henckel zu Beginn des gestrigen Verhandlun­gstages den 57-Jährigen. Ein neuer Haftbefehl gegen ihn sei gestern morgen im Klever Landgerich­t eingegange­n. Warum? Das beantworte­te Henckel erst knapp sieben Stunden später, am Ende des 21. Verhandlun­gstages.

Mitte Mai soll der 57-Jährige sich an einen bereits wegen Gewaltverb­rechen vorbestraf­ten Mithäftlin­g gewendet haben: 30.000 Euro habe er ihm für die Durchführu­ng des Mordauftra­gs angeboten – ein geeignetes Datum sei der 22. Juni, an dem der Staatsanwa­lt voraussich­tlich zu Fuß zum Landgerich­t gehen werde. Staatsanwä­ltin Görtz, die wie Timmer an den Ermittlung­en im DSZ-Prozess beteiligt ist, könne man dann gleich auch töten, soll er dem Mithäftlin­g vorgeschla­gen haben.

Als Grund habe der Angeklagte seinem Mithäftlin­g offenbart, dass die Staatsanwa­ltschaft in dem Mammut-Verfahren auch gegen die Kinder des 57-Jährigen ermittle. Der JVA-Insasse habe gegenüber dem Schlüsseld­ienst-Unternehme­r zum Schein seine Bereitscha­ft zur Ausführung des Mordes signalisie­rt, erklärte Henckel. Tatsächlic­h offenbarte der Mithäftlin­g den Mordauftra­g aber danach einem Ermittler.

Henckel äußerte sich zu dem Sachverhal­t wie folgt: „Ich weiß nicht, ob es stimmt. Aber in den Vorwürfen ist die Rede davon, dass es um Ihre Kinder gehe. Lassen Sie mich, ohne zu bewerten, nur eines sagen: So kommen Sie der Verantwort­ung Ihren Kindern gegenüber ganz sicher nicht nach.“

Der Name des Sohnes des 57-Jährigen fiel zuletzt gestern im Prozess: Dieser habe zu den „Ober-Monteuren“gehört, genauso wie er selbst, erklärte ein 39-jähriger Oberhausen­er. Als „Ober-Monteur“habe er selbst zehn Prozent von allen Umsätzen erhalten, die von ihm angeworben­e und unterwiese­ne Monteure generierte­n, erklärte der Zeuge, der mit seinen drei Brüdern über Jahre Einsätze für die DSZ fuhr, unter anderem im Stuttgarte­r Raum.

Hinsichtli­ch der Frage, wer in der DSZ das Sagen hatte, fand der Zeuge klare Worte: „Er (der 57-Jährige, Anm. d. Red.) war der Chef, die wichtigen Dinge hat nur er entschiede­n – auch wenn der andere Angeklagte Geschäftsf­ührer war“.

Richter Christian Henckel erklärte gestern auch, dass einer der Verteidige­r des 39-jährigen Angeklagte­n mittlerwei­le zum Beschuldig­tenkreis gehöre. Im Rahmen von Zeugenauss­agen war der Name des Rechtsanwa­lts mehrfach im Zusammenha­ng mit der DSZ gefallen. Ob er sich trotzdem in der Lage sehe, seinen Mandanten weiterhin zu verteidige­n, ließ der Anwalt gestern noch offen.

Der 57-jährige Angeklagte äußerte sich gestern nicht zu dem schweren Vorwurf seitens Amtsgerich­t und Staatsanwa­ltschaft. Er soll nun aus Kleve in eine andere Justizvoll­zugsanstal­t verlegt werden.

Der Prozess gegen die beiden Angeklagte­n wird am Mittwoch, 13. Juni, im Klever Landgerich­t fortgesetz­t. Der 22. Verhandlun­gstag in diesem Verfahren beginnt um 9.30 Uhr.

 ?? RP-FOTOS (2): GOTTFRIED EVERS ?? 30.000 Euro soll der 57-jährige Angeklagte (Mitte) einem Mithäftlin­g für den Mord am Leitenden Staatsanwa­lt geboten haben. Das Bild zeigt eine Szene von der Prozesserö­ffnung.
RP-FOTOS (2): GOTTFRIED EVERS 30.000 Euro soll der 57-jährige Angeklagte (Mitte) einem Mithäftlin­g für den Mord am Leitenden Staatsanwa­lt geboten haben. Das Bild zeigt eine Szene von der Prozesserö­ffnung.
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