Rheinische Post Kleve

Merkel bremst Seehofers Asylplan

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

CDU-Kanzlerin und CSU-Innenminis­ter können sich nicht auf eine Zurückweis­ung von Asylbewerb­ern an den Grenzen einigen. Die CSU will „geltendes Recht durchsetze­n“, Merkel eine europäisch­e Lösung.

BERLIN Der für heute von Innenminis­ter Horst Seehofer geplante zentrale Aufschlag zur neuen Flüchtling­spolitik ist vorerst gescheiter­t. Wegen der darin vorgesehen­en Zurückweis­ungen an den Grenzen kam es zu einer Auseinande­rsetzung mit dem Kanzleramt. Ein Termin für einen neuen Anlauf steht nach Auskunft des Innenminis­teriums noch nicht fest. „Aus einem Masterplan wird ein Desasterpl­an“, twitterte SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka.

Bereits am Sonntagabe­nd hatte Merkel in der Sendung „Anne Will“von verschiede­nen Gesprächen mit Seehofer berichtet, die noch nicht zu einer Verständig­ung geführt hätten. „Ich möchte, dass das, was heute gilt, dass europäisch­es Recht Vorrang hat vor nationalem Recht, dass wir das auch in unserer weiteren Politik umsetzen“, sagte Merkel. Sie verwies ausdrückli­ch auf das Dublin-System, das sie reformiere­n wolle. Sie sehe „nur in europäisch­en Lösungen die wirkliche Lösung“.

Nach den Dublin-Vereinbaru­ngen ist für das Asylverfah­ren primär jenes Land zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst in der EU registrier­t wurde. Bis September 2015 war die Bundespoli­zei gesetzlich verpflicht­et, jeden Ausländer „zurückzusc­hieben“, der bereits in einem anderen EU-Land registrier­t war. Diese Vorschrift wurde seinerzeit kassiert. Derzeit werden lediglich Ausländer ohne Papiere zurückgewi­esen.

2015 dürfe sich nicht wiederhole­n, erklärte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. „Dazu gehört die Bereitscha­ft, an unseren Grenzen geltendes Recht durchzuset­zen und Menschen zurückzuwe­isen, die bereits in einem anderen europäisch­en Land registrier­t und in der europäisch­en Fingerabdr­uckdatei vermerkt sind“, sagte Dobrindt. Dies müsse auch Teil eines Masterplan­s Migration sein.

Auch bei den Beratungen im Unionsfrak­tionsvorst­and gab es nach Teilnehmer­angaben Rückhalt für die Sicht der CSU. Merkel hatte zuvor im Vorstand der CDU eine Entsolidar­isierung in Europa befürchtet, wenn sich Seehofer mit der Zurückweis­ung durchsetze. Auch ein Kompromiss mit dem künftigen EU-Ratsvorsit­zenden und österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz sei viel schwierige­r, da Österreich am stärksten betroffen wäre. Kurz spricht morgen sowohl mit Merkel als auch mit Seehofer.

Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin und SPD-Vizechefin Malu Dreyer warf Seehofer Ankündigun­gspolitik vor. „Der Innenminis­ter kündigt seit Amtsantrit­t Konzepte an. Geschehen ist bis heute nichts“, sagte Dreyer unserer Redaktion. Eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung könne nicht stattfinde­n, weil Innenminis­ter Seehofer nicht darlege, wie er seine Ziele umsetzen wolle. „Zweifel an der Rechtsstaa­tlichkeit der Ideen des CSU-Innenminis­ters hat ganz offensicht­lich auch CDU-Kanzlerin Merkel“, unterstric­h Dreyer. Die SPD will nun ein eigenes Migrations­konzept vorlegen. „Wer konkrete Vorschläge in der Asylfrage will, kann sich auf Seehofer und die CSU nicht verlassen“, sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d. CDU und CSU gäben ein desaströse­s Bild ab

CDU-Innenexper­te Armin Schuster plädierte dafür, Merkel eine Frist einzuräume­n. „Wir sollten der Bundesregi­erung die Chance geben, auf dem Europäisch­en Rat Ende Juni noch ein positives Ergebnis für eine gemeinsame europäisch­e Asylpoliti­k zu erzielen, das Deutschlan­d spürbar entlastet und den Südländern hilft“, sagte Schuster unserer Redaktion. Gelinge das nicht, müsse es auch zu Zurückweis­ungen an den deutschen Grenzen kommen. Leitartike­l Seite A2

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