Steinmeiers Anti-Trump-Reise
In den USA besucht der Bundespräsident lieber das Silicon Valley als den Präsidenten im Weißen Haus.
BERLIN Bei einem zünftigen Streit ist es manchmal hilfreich, sich einfach mal aus dem Weg zu gehen. Das mag sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedacht haben. Mitten in der deutsch-amerikanischen Krise bricht das Staatsoberhaupt am Sonntag zu seiner ersten USA-Reise auf, fliegt aber über Washington D.C. hinweg nach Kalifornien. Am Montag will Steinmeier in Los Angeles das ThomasMann-Haus eröffnen, Dienstag geht es weiter nach San Francisco, wo er im Silicon Valley mit Experten über die Digitalisierung sprechen will.
Eine USA-Reise des Bundespräsidenten ohne einen Besuch im Weißen Haus, ist das nicht ein Affront? Na ja. Protokollarisch ist die Bundeskanzlerin das Pendant des USPräsidenten auf deutscher Seite. Es gab Bundespräsidenten, die in ihrer Amtszeit nicht im Weißen Haus zu Besuch waren. Viele waren es aber nicht. Denn es ist laut Kreisen im Auswärtigen Amt gute deutschamerikanische Tradition, dass ein deutsches Staatsoberhaupt in der Hauptstadt Station macht, wenn die Reise mehr ist als nur ein Kurzbesuch in New York (etwa zur Uno). Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck war 2015 bei Präsident Barack Obama, auch Roman Herzog und Johannes Rau waren zu Gast im Weißen Haus. Christian Wulff schaffte es in seiner kurzen Amtszeit gar nicht erst in die USA, Horst Köhler war in New York.
Man kann also Steinmeiers Reise an die Westküste auf dem Höhepunkt der diplomatischen Krise als „unfreundlichen Akt“empfinden. Oder als bewusstes Zeichen. Denn der Sozialdemokrat hat seine Abneigung gegen Donald Trump früh klargemacht. 2016 nannte Stein- meier noch als Außenminister den Präsidentschaftskandidaten Trump einen „Hassprediger“. Einen Termin im Weißen Haus hätte der Deutsche wohl nicht bekommen.
Dann also lieber direkt ins liberale Kalifornien, das sich als Speerspitze gegen Trumps Amerika empfindet und erst kürzlich angekündigt hat, beim Klimaschutz – entgegen der Linie des Präsidenten – mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Steinmeier kümmert sich vor Ort um sein Herzensthema Kulturpoli- tik. Als Außenminister hatte er die Bundesregierung 2016 dazu gebracht, für umgerechnet 12,5 Millionen Euro das Haus zu kaufen, in dem einst der deutsche Schriftsteller Thomas Mann im Exil lebte, das abgerissen werden sollte. Nun soll das vom deutsch-jüdischen Architekten Julius Ralph Davidson entworfene und für rund fünf Millionen Euro renovierte Haus ein Begegnungsort für Kulturschaffende und Wissenschaftler zwischen Deutschland und den USA werden.
Im zweiten Teil der Reise widmet sich Steinmeier den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft und trifft dafür im Herzen des Silicon Valley, an der privaten EliteUniversität Stanford, mit Vertretern von Google und deutschen Start-ups zusammen. Mit an Bord der Präsidentenmaschine sind unter anderem Telekom-Vorstand Claudia Nemat und der Blogger Sascha Lobo.