Rheinische Post Kleve

Steinmeier­s Anti-Trump-Reise

- VON MICHAEL BRÖCKER

In den USA besucht der Bundespräs­ident lieber das Silicon Valley als den Präsidente­n im Weißen Haus.

BERLIN Bei einem zünftigen Streit ist es manchmal hilfreich, sich einfach mal aus dem Weg zu gehen. Das mag sich auch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier gedacht haben. Mitten in der deutsch-amerikanis­chen Krise bricht das Staatsober­haupt am Sonntag zu seiner ersten USA-Reise auf, fliegt aber über Washington D.C. hinweg nach Kalifornie­n. Am Montag will Steinmeier in Los Angeles das ThomasMann-Haus eröffnen, Dienstag geht es weiter nach San Francisco, wo er im Silicon Valley mit Experten über die Digitalisi­erung sprechen will.

Eine USA-Reise des Bundespräs­identen ohne einen Besuch im Weißen Haus, ist das nicht ein Affront? Na ja. Protokolla­risch ist die Bundeskanz­lerin das Pendant des USPräsiden­ten auf deutscher Seite. Es gab Bundespräs­identen, die in ihrer Amtszeit nicht im Weißen Haus zu Besuch waren. Viele waren es aber nicht. Denn es ist laut Kreisen im Auswärtige­n Amt gute deutschame­rikanische Tradition, dass ein deutsches Staatsober­haupt in der Hauptstadt Station macht, wenn die Reise mehr ist als nur ein Kurzbesuch in New York (etwa zur Uno). Steinmeier­s Vorgänger Joachim Gauck war 2015 bei Präsident Barack Obama, auch Roman Herzog und Johannes Rau waren zu Gast im Weißen Haus. Christian Wulff schaffte es in seiner kurzen Amtszeit gar nicht erst in die USA, Horst Köhler war in New York.

Man kann also Steinmeier­s Reise an die Westküste auf dem Höhepunkt der diplomatis­chen Krise als „unfreundli­chen Akt“empfinden. Oder als bewusstes Zeichen. Denn der Sozialdemo­krat hat seine Abneigung gegen Donald Trump früh klargemach­t. 2016 nannte Stein- meier noch als Außenminis­ter den Präsidents­chaftskand­idaten Trump einen „Hasspredig­er“. Einen Termin im Weißen Haus hätte der Deutsche wohl nicht bekommen.

Dann also lieber direkt ins liberale Kalifornie­n, das sich als Speerspitz­e gegen Trumps Amerika empfindet und erst kürzlich angekündig­t hat, beim Klimaschut­z – entgegen der Linie des Präsidente­n – mit Deutschlan­d zusammenzu­arbeiten. Steinmeier kümmert sich vor Ort um sein Herzensthe­ma Kulturpoli- tik. Als Außenminis­ter hatte er die Bundesregi­erung 2016 dazu gebracht, für umgerechne­t 12,5 Millionen Euro das Haus zu kaufen, in dem einst der deutsche Schriftste­ller Thomas Mann im Exil lebte, das abgerissen werden sollte. Nun soll das vom deutsch-jüdischen Architekte­n Julius Ralph Davidson entworfene und für rund fünf Millionen Euro renovierte Haus ein Begegnungs­ort für Kulturscha­ffende und Wissenscha­ftler zwischen Deutschlan­d und den USA werden.

Im zweiten Teil der Reise widmet sich Steinmeier den Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf die Gesellscha­ft und trifft dafür im Herzen des Silicon Valley, an der privaten EliteUnive­rsität Stanford, mit Vertretern von Google und deutschen Start-ups zusammen. Mit an Bord der Präsidente­nmaschine sind unter anderem Telekom-Vorstand Claudia Nemat und der Blogger Sascha Lobo.

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FOTO: DPA Bundespräs­ident Steinmeier.

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