In Kranenburg leben Märchen weiter
Beim zweiten Märchenfestival in Kranenburg wurden die Besucher auf eine Reise in vergangene Zeiten und die eigene Phantasie entführt. Höhepunkte waren die Falknershow, die Märchenerzählungen und die Handwerksvorstellungen.
KRANENBURG Es war einmal ein schwarzer Ritter, der in der Gemeinde Kranenburg als dunkles Wesen für Angst und Schrecken in den engen Gassen sorgte. Erst als die Kinder der hiesigen Kindergärten und der Christophorus-Grundschule ihre Stadt von diesem befreit hatten, stand dem zweiten Märchenfestival in der Europa-Gemeinde nichts mehr im Wege. Spielerisch hatten
„Steckt die Handys weg und lasst euch auf die Welt der Märchen ein“
Günter Steins
Bürgermeister
sie ihn zum Auftakt auf dem Turnierfeld überlistet und zur Hauptbühne geschleppt. Dort durften sie über das Schicksal des Ritters richten und zeigten großes Herz: Sie stellten die Schattengestalt zwar an den Pranger und beschimpften ihn, zeigten final aber Erbarmen und ließen ihn frei.
So fand das Festival im historischen Ortskern seinen Auftakt in ein abwechslungsreiches Programm. „Steckt die Handys weg und lasst euch auf die Welt der Märchen ein. Dafür werden 24 Stunden am Tag nicht einmal genügen. Bei strahlendem Sonnenschein werden das zwei tolle Tage werden“, leitete Bürgermeister Günter Steins ein. Vom frühen Morgen bis in die späten Abendstunden präsentierten hunderte Schausteller zwischen der Wallfahrtskirche, dem Klostergarten und der Stadtmauer ihre Leidenschaften. „Wir sind von dem Ambiente und dem Interesse der Besucher begeistert. Mit einem solchen Zulauf hätten wir kaum gerechnet“, sagte Veranstalterin Anne Peimann, Touristikerin der Gemeinde Kranenburg. „Es ist der besondere Mix, der dieses Festival ausmacht. Für die Kinder gibt es viel Erlebbares, für die Eltern ist die gesamte Historie spannend.“Auf dem gesamten Gelände streiften Dra- chen, Ritter, Gaukler, Bauern und Narren umher und versetzten die Besucher in andere Epochen und Welten.
Einer der Höhepunkte auf dem kostenfreien Fest war die Falknershow im Märchengarten, bei der sich mutige Kinder unter anderem von amerikanischen Seeadlern und Mäusebussards anfliegen lassen konnten. Auch die Band „Streuner“und das inklusive Theater-Stück des St. Johannes-Stift zogen zahlreiche Besucher an. Abseits des Programms aber lockten viele Zelte und Aussteller zu einer Präsentation an. Einer davon war Jörg Große, der als „Freie Sippe von Asmidi“zum Gebrauch einer Mehlmühle aus dem achten Jahrhundert einlud. Der Weg zum Mehl mutet einfach an: Getreidekörner müssen nämlich zwischen zwei steinerne Scheiben gelegt werden, die im Anschluss aneinander gerieben werden. Nötig aber sei ein besonderes Feingefühl. „Es ist gar nicht so einfach, Mehl herzustellen. Das wollen wir den Kindern zeigen. In manchen Städten hat der Nachwuchs keine Vorstellung mehr davon, woher die Produkte im Supermarkt kommen“, sagt Große, der vor zwei Jahren zu seinem mittelalterlichen Hobby kam: „Mein Sohn ist hochbegabt und wir waren auf der Suche nach einem Hobby für ihn. Da passte diese Szene sehr gut – aber Piraten und Ritter stellen alle dar. Wir entschieden uns für etwas Außergewöhnliches.“
Eine heiße Darstellung bot dahingegen John Robbin Riechert mit seiner Kohlenschmiede. Vor den Augen des Publikums hämmerte und feilte er seine Kohle und fertigte in glühender Hitze filigranen Schmuck an. Hämmern, Feilen und Biegen vor den Augen der Zuschauer. „Mit 16 Jahren war ich erstmals auf einem Mittelaltermarkt und begeistert. Ich sparte dann Geld für Werkzeug zusammen und bin nun mit meiner Leidenschaft selbständig“, erklärt Riechert. Anschaulich zeigte auch Anja Pitz ihr Handwerk. Ihr „Spinnkreis Kleve“produzierte, was in mittelalterlichen Zeiten aus Schafswolle hergestellt werden konnte. „Früher war alles Handarbeit. Wir dürfen diese Techniken einfach nicht vergessen und müssen sie hier zeigen“, sagt Pitz.
Die überall auf dem Gelände hörbaren Kinderstimmen entstammten besonders den Indianertipis, in denen der Nachwuchs auf Heuballen sitzend selber Märchen erzählte oder diesen gebannt folgen konnte – große Augen zu den Geschichten der Gebrüder Grimm. Auch der schwarze Ritter ließ sich von der Fröhlichkeit in der Märchenwelt anstecken und zeigte sich friedlich unter den Fabelwesen. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute.