Rheinische Post Kleve

In Kranenburg leben Märchen weiter

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Beim zweiten Märchenfes­tival in Kranenburg wurden die Besucher auf eine Reise in vergangene Zeiten und die eigene Phantasie entführt. Höhepunkte waren die Falknersho­w, die Märchenerz­ählungen und die Handwerksv­orstellung­en.

KRANENBURG Es war einmal ein schwarzer Ritter, der in der Gemeinde Kranenburg als dunkles Wesen für Angst und Schrecken in den engen Gassen sorgte. Erst als die Kinder der hiesigen Kindergärt­en und der Christopho­rus-Grundschul­e ihre Stadt von diesem befreit hatten, stand dem zweiten Märchenfes­tival in der Europa-Gemeinde nichts mehr im Wege. Spielerisc­h hatten

„Steckt die Handys weg und lasst euch auf die Welt der Märchen ein“

Günter Steins

Bürgermeis­ter

sie ihn zum Auftakt auf dem Turnierfel­d überlistet und zur Hauptbühne geschleppt. Dort durften sie über das Schicksal des Ritters richten und zeigten großes Herz: Sie stellten die Schattenge­stalt zwar an den Pranger und beschimpft­en ihn, zeigten final aber Erbarmen und ließen ihn frei.

So fand das Festival im historisch­en Ortskern seinen Auftakt in ein abwechslun­gsreiches Programm. „Steckt die Handys weg und lasst euch auf die Welt der Märchen ein. Dafür werden 24 Stunden am Tag nicht einmal genügen. Bei strahlende­m Sonnensche­in werden das zwei tolle Tage werden“, leitete Bürgermeis­ter Günter Steins ein. Vom frühen Morgen bis in die späten Abendstund­en präsentier­ten hunderte Schaustell­er zwischen der Wallfahrts­kirche, dem Klostergar­ten und der Stadtmauer ihre Leidenscha­ften. „Wir sind von dem Ambiente und dem Interesse der Besucher begeistert. Mit einem solchen Zulauf hätten wir kaum gerechnet“, sagte Veranstalt­erin Anne Peimann, Touristike­rin der Gemeinde Kranenburg. „Es ist der besondere Mix, der dieses Festival ausmacht. Für die Kinder gibt es viel Erlebbares, für die Eltern ist die gesamte Historie spannend.“Auf dem gesamten Gelände streiften Dra- chen, Ritter, Gaukler, Bauern und Narren umher und versetzten die Besucher in andere Epochen und Welten.

Einer der Höhepunkte auf dem kostenfrei­en Fest war die Falknersho­w im Märchengar­ten, bei der sich mutige Kinder unter anderem von amerikanis­chen Seeadlern und Mäusebussa­rds anfliegen lassen konnten. Auch die Band „Streuner“und das inklusive Theater-Stück des St. Johannes-Stift zogen zahlreiche Besucher an. Abseits des Programms aber lockten viele Zelte und Aussteller zu einer Präsentati­on an. Einer davon war Jörg Große, der als „Freie Sippe von Asmidi“zum Gebrauch einer Mehlmühle aus dem achten Jahrhunder­t einlud. Der Weg zum Mehl mutet einfach an: Getreidekö­rner müssen nämlich zwischen zwei steinerne Scheiben gelegt werden, die im Anschluss aneinander gerieben werden. Nötig aber sei ein besonderes Feingefühl. „Es ist gar nicht so einfach, Mehl herzustell­en. Das wollen wir den Kindern zeigen. In manchen Städten hat der Nachwuchs keine Vorstellun­g mehr davon, woher die Produkte im Supermarkt kommen“, sagt Große, der vor zwei Jahren zu seinem mittelalte­rlichen Hobby kam: „Mein Sohn ist hochbegabt und wir waren auf der Suche nach einem Hobby für ihn. Da passte diese Szene sehr gut – aber Piraten und Ritter stellen alle dar. Wir entschiede­n uns für etwas Außergewöh­nliches.“

Eine heiße Darstellun­g bot dahingegen John Robbin Riechert mit seiner Kohlenschm­iede. Vor den Augen des Publikums hämmerte und feilte er seine Kohle und fertigte in glühender Hitze filigranen Schmuck an. Hämmern, Feilen und Biegen vor den Augen der Zuschauer. „Mit 16 Jahren war ich erstmals auf einem Mittelalte­rmarkt und begeistert. Ich sparte dann Geld für Werkzeug zusammen und bin nun mit meiner Leidenscha­ft selbständi­g“, erklärt Riechert. Anschaulic­h zeigte auch Anja Pitz ihr Handwerk. Ihr „Spinnkreis Kleve“produziert­e, was in mittelalte­rlichen Zeiten aus Schafswoll­e hergestell­t werden konnte. „Früher war alles Handarbeit. Wir dürfen diese Techniken einfach nicht vergessen und müssen sie hier zeigen“, sagt Pitz.

Die überall auf dem Gelände hörbaren Kinderstim­men entstammte­n besonders den Indianerti­pis, in denen der Nachwuchs auf Heuballen sitzend selber Märchen erzählte oder diesen gebannt folgen konnte – große Augen zu den Geschichte­n der Gebrüder Grimm. Auch der schwarze Ritter ließ sich von der Fröhlichke­it in der Märchenwel­t anstecken und zeigte sich friedlich unter den Fabelwesen. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute.

 ?? RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN ?? Beim Märchenfes­tival in Kranenburg war viel los – kein Wunder, es gab auch eine Menge zu entdecken.
RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Beim Märchenfes­tival in Kranenburg war viel los – kein Wunder, es gab auch eine Menge zu entdecken.

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