Rheinische Post Kleve

Edvard Munch und das Beste vom Rhein

- VON ANNETTE BOSETTI

Susanne Gaensheime­r kramt künstleris­ch die Kunstsamml­ung um. Exklusiv sind ihre Pläne für 2018/19 in Düsseldorf.

DÜSSELDORF Zuletzt gab es viel, auch unwichtige­s Gerede um einen möglicherw­eise anderen Eintritt ins Gebäude der Kunstsamml­ung von Nordrhein-Westfalen. Doch wichtiger als jede Türöffnerd­iskussion ist das Programm, das Direktorin Susanne Gaensheime­r plant und noch versteckt in ihrer Schublade hält. Bisher hatte die aus Frankfurt nach Düsseldorf gewechselt­e und mit reichlich Vorschussl­orbeeren bedachte Kunsthisto­rikerin erst wenig Gelegenhei­t, zu zeigen, was ihr persönlich künstleris­ch wichtig und zeitgemäß erscheint. Wahrschein­lich tat sie gut daran, sich vorab nichts zerreden zu lassen.

Doch jetzt sind ihre geplanten Highlights zum Gesprächst­hema geworden, dem Kuratorium der Kunstsamml­ung hat sie sie offenbar bereits vorgestell­t. Und wenn das alles so kommt, wie es aussieht, markieren sie einen deutlichen programmat­ischen Wechsel. Gaensheime­r gibt sich als beherzte Strategin, die andere Schwerpunk­te setzt als ihre Vorgängeri­n und, wenn auch keine klassische­n Blockbuste­r, so doch wirkmächti­ge Künstler nach Düsseldorf holt. Lieblinge der Kunstszene sind dabei nicht ausgeschlo­ssen.

Sehr persönlich dürfte die von ihr geplante Munch-Ausstellun­g ausfallen. Edvard Munch – der Symbolist aus Norwegen, dieses eine Mal von seiner weniger bekannten Seite. Der Maler von „Der Schrei“, wie man ihn noch nie gesehen hat, lautet das Verspreche­n. In dieser Ausstellun­g, die 2019 am Grabbeplat­z eingericht­et werden soll, ergibt sich ein zweifacher Blick, der Gaensheime­r wohl besonders gefällt. Geboren wurde diese Ausstellun­gsidee ursprüngli­ch für Oslo von Karl Ove Knausgård, dem wichtigste­n und bekanntest­en norwegisch­en Gegenwarts­autor. Gaensheime­r schätzt die Bücher des Schriftste­llers sehr und hat intensiv mit ihm über das Projekt in Düsseldorf korrespond­iert.

„Die Ausstellun­g erscheint wie eine Reise von der Helligkeit und Harmonie in die Dunkelheit und das Chaos – und wieder zurück in eine kontrollie­rbare Wirklichke­it“, beschreibt das norwegisch­e Munch Museum die Ausstellun­g, die dort im vergangene­n Sommer lief. Ein vielverspr­echender neuer Aspekt dürfte das für Düsseldorf werden: großer Name, neuer Blick. Allerdings: wie es so aussieht – ohne „Der Schrei“.

Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnte­n beklagen Künstler und andere Protagonis­ten der überaus regen rheinische­n Künstlersz­ene, dass das Rheinland mit seinen stärksten und prominente­sten Vertretern in den Museen kaum vorkommt. Dabei leben so viele bedeutende Künstlerin­nen und Künstler in Köln, Düsseldorf oder Mönchengla­dbach. Das Problem hat Susanne Gaensheime­r blitzschne­ll erfasst, sie war seit Amtsbeginn im September 2017 unterwegs in vielen Ateliers und hat nun vor, einen Fokus aufs Rheinland zu setzen. Für beide Ausstellun­gshäuser plant sie Sammlungs- neueröffnu­ngen mit diesem Schwerpunk­t. Im Ständehaus sollen beispielsw­eise fotografis­che Arbeiten von Thomas Ruff gezeigt werden, das Deutschlan­dgerät von Reinhard Mucha wird derzeit zwecks Neupräsent­ation restau- riert, und in der Ausstellun­g von Marcel Odenbach, der bald 65 wird, wird sicherlich Videokunst gezeigt.

Am Grabbeplat­z kommen später die Künstlerin­nen ganz groß raus. Das überrascht und ist erfreulich nach so langer weiblicher Unterreprä­sentanz in Museen und anderen öffentlich­en Räumen. Besser spät als nie. Die beiden großen Katharinas dieser Stadt, Fotopionie­rin Katharina Sieverding und Bildhaueri­n Katharina Fritsch, sollen zentrale Akteurinne­n der Sammlungsn­eupräsenta­tion werden. Auch Thomas Schütte und die in Köln lebende Rosemarie Trockel werden in den rheinische­n Schwerpunk­t einbezogen.

Noch nicht spruchreif, aber durchgesic­kert ist, dass schon im Frühjahr 2019 ein großer internatio­naler Star der Kunstszene in Düsseldorf gastiert – mit einer pointierte­n politische­n Ausstellun­g wird er in beiden Häusern der Kunstsamml­ung präsent sein, ein Bildhauer, Konzeptkün­stler und politische­r Propagandi­st. Sein Name muss noch geheim bleiben, doch sein Werk ist extrem und vielseitig, zur eigenen Geschichte und der seines Landes hat er Arbeiten gemacht, auf die Weltpoliti­k Bezug genommen und immer freie poetisch durchdrung­ene Werke und Installati­onen geschaffen.

Wenn es so weit käme, dann würde es zu Susanne Gaensheime­r passen. Internatio­nalität und politische Relevanz in der zeitgenöss­ischen Kunst hatte sie schon in ihrer Funktion als Kuratorin der Biennale von Venedig für den deutschen Pavillon stets betont.

Das Programm, das kommt, wird die Kunstsamml­ung stärker in Bewegung bringen und ihr neue Besucher bescheren. Das ist der Direktorin wichtig. Was sie plant, hat viel mit ihr und ihrem Blick auf die Kunst zu tun. Das sagen die, die sie gut kennen.

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