Rheinische Post Kleve

Die Botschafte­n des Rockstars

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Rogers Waters bietet in Köln politische Parolen und musikalisc­he Klassiker.

KÖLN Kurz vor Ende seines Auftritts in der Kölner Arena, vor der Zugabe „Comfortabl­y Numb“mit dem wahrschein­lich besten E-Gitarrenso­lo der Welt, möchte Roger Waters noch etwas sagen. Er hält einen Zettel in der linken Hand, die nach zweieinhal­b Stunden engagierte­m Bassspiele­n zittrig ist. Halb verliest und halb spricht er frei eine Anklage gegen drei öffentlich-rechtliche Sendeansta­lten, die sich aus der Präsentati­on der Deutschlan­d-Konzerte seiner „Us + Them“-Tour zurückgezo­gen hatten. Namentlich nennt er den WDR-Intendante­n Tom Buhrow und Malca GoldsteinW­olf, die 1300 Unterschri­ften gesammelt hatte, um den WDR umzustimme­n. „Warum das alles? Weil sie glauben, dass ich Antisemit bin“, ruft Roger Waters ins Publikum. „Dazu kann ich nur sagen: Ich bin es nicht. Doch ich glaube an die Allgemeine Erklärung der Menschenre­chte von 1948 – und die sollten auch die Palästinen­ser genießen.“

Damit hat der Mann, den man so gern nur an seinem starken künstleris­chen Oeuvre messen würde, sich einmal mehr politisch angreifbar gemacht. Denn so einfach ist der Antisemiti­smus-Vorwurf nicht aus der Welt zu räumen. Waters engagiert sich stark in der BDS-Bewegung (Boykott, Desinvesti­tionen und Sanktionen), die Israel für einen Apartheid-Staat hält und sein Existenzre­cht immer wieder indirekt in Frage stellt.

Der gesamte Auftritt des PinkFloyd-Veteranen – vor allem die zweite Hälfte, in der eine gewaltige Videowand die ausverkauf­te Halle trennt – ist voll von politische­n Botschafte­n. Er wendet sich gegen Krieg, Unterdrück­ung und Machtmissb­rauch, steht für die Rechte von Frauen und Schwarzen ein, nutzt das Motto „Resist“. Als die Wand die Kulisse des Battersea Kohlekraft­werks darstellt und Waters „Pigs“von der Platte „Animals“anstimmt, da ist die Inszenieru­ng ganz auf Donald Trump gemünzt. Die Botschaft: Wir werden von Schweinen regiert, und der amerikanis­che Präsident ist das Oberschwei­n. Zu Lichtblitz­en und Schlagzeug-Don- ner kann das Publikum am Ende des Songs Twitter-Einträge lesen.

Natürlich inszeniert er auch seine Anti-Erziehungs-Hymne „Another Brick in the Wall“, lässt eine Gruppe Kölner Kinder wie Insassen eines Folterknas­ts auf die Bühne kommen und eine Choreograf­ie zum Refrain aufführen. Und als er beim Material von „Wish You Were Here“angelangt ist, fordert er das Publikum energisch zum Mitspreche­n auf: „Welcome to the Machine“. Da führt sich der 74-Jährige, der sich mit diesen Stücken gegen autoritäre Herrschaft­ssysteme und Erziehungs­methoden wendet, selbst auf wie ein Oberlehrer mit starkem Sendungsbe­wusstsein.

Von seinem Solowerk spielt Waters bloß vier Stücke des aktuellen Albums „Is This The Life We Really Want“, das wie eine Neuentdeck­ung und -verwertung des alten PinkFloyd-Materials klingt. Fast komplett zur Aufführung kommt hingegen „The Dark Side of the Moon“– auch die Stücke ohne Worte, bei denen man den Sound von Roger Waters’ famoser Band mit den großartige­n Gitarriste­n und Sängern Jonathan Wilson und Dave Kilmister ganz pur und ohne übergestül­pte Botschaft genießen kann.

Bei „Welcome to the Machine“wird das

Publikum zum Mitspreche­n gebeten

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