Alte und neue Wälzer im Lesefon
Ausleihen, Tauschen und neue Bücher vorbeibringen: Die Telefonzelle an der Herzogbrücke bietet kostenloses Lesevergnügen rund um die Uhr. Der Verein BetreuWo entwickelte das Projekt gemeinsam mit seinen Kunden.
KLEVE Stephen King, James Patterson und Astrid Lindgren stehen in einer Telefonzelle am Spoyufer. Und das bereits seit gut zwei Wochen. Wie lange sie noch bleiben, weiß niemand. Schließlich kann sich jeder an den Büchern im Lesefon bedienen – wann immer er möchte.
„Dieses Modell gibt es in vielen deutschen Städten“, sagt Michael Büttner von BetreuWo. „Aber bisher eben noch nicht in der Stadt Kleve.“
„Für unsere Bewohner ist das Projekt eine pädagogische
Förderung“
Fabienne Teichner
BetreuWo
Vor mehreren Jahren hat sich eine Gruppe von „Leseratten“im Verein Betreutes Wohnen für Menschen mit Körper- und geistlicher Behinderung gefunden. Markus Wilram* ist einer von ihnen. „Bücher sind echt teuer und ich mag keine EBooks“, sagt der 32-Jährige. „Ich habe das mit der Telefonzelle im Fernsehen gesehen und wollte das für uns auch haben.“
Damit die Idee der Bewohnergruppe umgesetzt werden konnte, halfen Angehörige und der Vereinsvorstand. Zunächst musste eine Telefonzelle her. Aber wo bekommt man sowas? „Am liebsten hätte ich eine klassische gelbe gehabt“, berichtet Büttner. „Aber ich war froh, dass die Telekom überhaupt noch eine für uns hatte.“Mitte 2017 wurde der graue Kasten aus Berlin abgeholt und in Kleve umgebaut. Ein Baumarkt spendete ein Holzregal, das in die Zelle eingebaut wurde. Sogar eine Lampe inklusive Bewegungsmelder wurde installiert.
„Unser Vorhaben hat sich rumgesprochen“, sagt Fabienne Teichner, Fachvorstand von BetreuWo. „Zuerst hatte ich im Büro ein paar Buch-Spenden, mittlerweile ist es ein kleines Lager.“Auch die Buchhandlung Leselust beteiligt sich aktiv und versorgt die telefonzelle re- gelmäßig mit neuen Werken. Um die Sauberkeit und Ordnung kümmern sich die Bewohner. „Wir haben einen wöchentlichen Putzplan erstellt“, erzählt Markus Wilram.
Die ersten Reaktionen auf die neue Telefonzelle am Spoyufer sind durchgehend positiv. So hat das Projekt auf Facebook für viele Reaktionen gesorgt. „Gestern entdeckt und direkt eine Lesefreundin getroffen und gut unterhalten. Das ist eine gute Ergänzung zur Stadtbücherei“, kommentierte eine Nutzerin ein Foto vom Lesefon. „Super Idee – ich habe noch Bücher hier, die ich bestimmt nicht noch einmal lesen werde“, schrieb ein anderer Nutzer. Jeder kann sich ein Buch oder gleich mehrere herausnehmen, muss dabei aber nicht zwingend auch eins ins Regal stellen.
„Für die Klever ist es eine Bereicherung, aber auch für unsere Kunden vom Betreuten Wohnen ist das Projekt eine pädagogische Förderung“, sagt Teichner. Die Anzahl der Bücher sei seit der Eröffnung vor gut zwei Wochen gestiegen, schätzt Michael Büttner. „Obwohl ich letztens noch gesehen habe, wie jemand sieben Bücher gleichzeitig herausgenommen hat.“
Mitten im Grün steht das Lesefon, zwischen den Beeten der Gemeinschaftsgärten Essbares Klever Land. Dort soll, wenn die Sitzbänke eine neue Oberfläche bekommen, eine kleine Minioase entstehen. „Der Opschlag lebt wieder“, sagt Barbara Paul von Essbares Klever Land. „Das Lesefon steigert die Aufenthaltsqualität.“Die Stadt brauche solche kostenlosen Plätze zum Verweilen, denn für den Kauf einer einzelnen Bluse kämen die wenigsten noch in die Stadt.
Der Gemeinschaftsgarten und das Lesefon werden sich als Nachbarn in jedem Fall unterstützen. „Wir sind oft vor Ort und werden auch ein Auge auf die Telefonzelle haben“, sagt Jürgen Ramisch von Essbares Klever Land. „Das Lesefon ist wunderbar. Ich bin mir sicher, dass alle Klever sich bemühen, die Bücherzelle zu pflegen.“
Zwischen Krimi und Thrillern wie „Horrortrip“, reihen sich Bücher für die vegetarische Küche und Sachbücher mit dem Titel „Körpersprache richtig anwenden“. Markus Wilram fährt mit dem Finger über die Buchrücken und sortiert um. „Mir persönlich fehlt noch etwas mehr Männerliteratur“, sagt der Erfinder des Klever Lesefon. „Vielleicht bringt ja in den kommenden Tagen jemand etwas vorbei.“