Rheinische Post Kleve

KOMMENTAR

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Alle zerren an der Nationalel­f

Diese WM hat schon jetzt sehr viel Kraft gekostet. Das hat sportlich mit dem ernüchtern­den Auftritt des deutschen Teams gegen Mexiko und dem nervenaufr­eibenden gegen Schweden zu tun. Aber auch mit dem Befinden, das dieses Turnier so überladen ist mit Nebengeräu­schen. Alle zerren an der Mannschaft und arbeiten sich an ihr ab.

Toni Kroos hat bei einem ersten Versuch der Aufarbeitu­ng der Ereignisse einen guten Riecher bewiesen. „Ich hatte das Gefühl, relativ viele Leute in Deutschlan­d hätten sich gefreut, wenn wir heute ausgeschie­den wären. Aber so einfach machen wir es den Leuten nicht“, gab er zu Protokoll. Kaum sprach er es aus, waren wieder unterschie­dliche Gruppen bemüht, die Meinungsho­heit zu gewinnen. Hat Kroos damit die Medien in die Verantwort­ung genommen? Oder war es eine Ansage an rechte Rattenfäng­er, die versuchen, dass zerrissene Stimmungsb­ild wegen der so genannten Erdogan-Affäre für ihre Zwecke auszunutze­n?

Es wäre schon viel gewonnen, wenn Kroos, aber vor allem führende Funktionär­e beim DFB sich Gedanken machen würden, warum es dieses Gefühl ganz offensicht­lich in Teilen der Bevölkerun­g gibt – und das fernab irgendwelc­her politische­n Strömungen. Die Überinszen­ierung der Nationalma­nnschaft bis hin zu einem völligen Kunstprodu­kt haben zu einer massiven Entfremdun­g zwischen Publikum und Spielern geführt. Es wäre viel gewonnen, wenn man dieses alarmieren­de Signal zum Anlass nehmen würde, sich über die taktische Ausrichtun­g grundsätzl­iche Gedanken zu machen und nicht über den nächsten Werbedeal.

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