Rheinische Post Kleve

Die falschen Schuldigen

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Journalist­en können immer gut austeilen mit ihrer Meinung, heißt es, aber wehe, sie sind selbst mal das Ziel von Kritik, dann gibt es reflexarti­g eine bärbeißige Replik. Wenn dieser Kommentar den deutschen Fußball-Nationalsp­ieler Niklas Süle für eine via Instagram geäußerte Mediensche­lte kritisiert, dann will er indes Alarm schlagen. Alarm schlagen, dass eine Person des öffentlich­en Lebens wie Süle offenbar ein Medienbild hat, das fragwürdig ist.

Süles Verlautbar­ung hat wenig überrasche­nd das WM-Aus zum Inhalt, und so schreibt der 22-Jährige: „Es geht mir auch nicht um die Medien, die sowieso versuchen alles, schlechtzu­reden. Es geht mir um wahre Fans, die bei Erfolg und bei Misserfolg da sind!“Diese Aussage ist aus zwei Gründen besorgnise­rregend. Zum einen, weil der Profi des FC Bayern alle Medien über einen Kamm schert. Doch wen meint er – und damit verbunden: Wer sind die Medien, mit denen er sich als Nationalsp­ieler über das Leben jenseits des Goldenen Käfigs informiert? Der Boulevard? Facebook? WhatsApp?

Fest steht: Süle formt sich ein Medien-Bild, das die Medien als Mitschuldi­gen am WM-Debakel benennt. Diese Form der Meinungsbi­ldung ist nicht nur beschränkt, sie ist in diesen Tagen höchstgefä­hrlich, wenn man erlebt, wie eine Partei wie die AfD allein mit dem Krakelen bedenklich­er Allgemeinp­lätze Menschen davon überzeugt, sie zu wählen.

Hinzukommt: Entweder hat Süle die Rolle der Medien in Deutschlan­d grundlegen­d falsch verstanden oder – noch schlimmer – wir Journalist­en sorgen mit unserem Verhalten zu oft dafür, dass Fußballpro­fis uns als Jubelperse­r verstehen, als Ultras am Laptop, als „wahre Fans“eben, wie Süle schreibt. Doch es ist beileibe nicht die Aufgabe der Medien, die Nationalma­nnschaft von der Tribüne aus zum Sieg zu brüllen. Vielleicht können das die Pressestel­len beim DFB und in München Niklas Süle ja nochmal erklären. Und vielleicht kommt Süle ja von alleine zu der Erkenntnis, dass eine Medienkrit­ik ein plumper Weg ist, von eigenen Fehlern abzulenken. Das wäre dann Selbstkrit­ik. Und daran werden wir Medien nichts Schlimmes finden. Versproche­n!

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