„Während andere Mädchen Plakate an ihre Zimmerwände kleben, ist Britney das Plakat an der Wand“
Barbara Ellen
The Observer
tes Mädchen von nebenan zieht sie als 18-Jährige aus, die Teenies zu erobern, stürmt in Schulmädchen-Uniform 1999 weltweit die Charts und verkauft fast 40 Millionen Exemplare ihres Debüts „Baby One More Time“. Als laszive Frau zielt sie später auf eine ältere Zielgruppe ab. Und verdient wieder unverschämt gut, allein im Jahr 2012 rund 58 Millionen US-Dollar.
Dazwischen liegt ein Nervenzusammenbruch, wie ihn Hollywood nicht besser hätte inszenieren können. Nach der Scheidung von ihrem zweiten Mann Kevin Federline verbarrikadiert sich Spears im Januar 2008 mit ihren beiden Kindern in ihrer Villa in Los Angeles und wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Einige Zeit später übernimmt ihr Vater die Vormundschaft für sie, zudem verliert Spears das Besuchsrecht für ihre Söhne. Ein Star am Boden.
Nach einem derartigen Niederschlag wieder aufzustehen, ist schwierig, zumal im Showgeschäft. Bilder zeigen eine zerrüttete Frau, die offensichtlich am Ruhm zerbrochen ist.„Während andere Mädchen Plakate an ihre Zimmerwände kleben, ist Britney das Plakat an der Wand. Während andere Kinder sich in ihrem eigenen Tempo entwickeln, wurde Britney von der amerikanischen Entertainment-Industrie mit Tempo durch den Markt gehetzt“, schreibt Barbara Ellen in „The Observer“. Mit „Baby One More Time“hat Spears einen Nummer-1-Hit in mehr als 40 Ländern und kann mit ihrem zweiten Album, „Oops!... I Did It Again“, im Jahr 2000 an den überragenden Erfolg anknüpfen. Allein in der ersten Woche setzt sie 3,7 Millionen Tonträger um, so viele wie kein Künstler zuvor. Einen Stern in Hollywoods „Walk of Fame“gibt es obendrein, als jüngste Sängerin aller Zeiten. Irgendwann ist es dann wohl zu viel.
Vielleicht auch, weil Spears zu viele Imagewechsel hinlegen muss. Jahrelang kokettiert die junge Amerikanerin öffentlich damit, jungfräulich und auch ansonsten sündenfrei durchs Leben zu tänzeln. Weil die mühsam aufrechterhaltene Fassade ohnehin bröckelt, lautet die Strategie: einreißen, und zwar mit der Abrissbirne. Mit einem Zungenkuss bei der Verleihung der MTV Awards läutet Spears’ Management 2003 die neue Linie ein. Beteiligt beim Austausch von Speicheleinheiten: Madonna, Britneys Duettpartnerin im Song „Me Against The Music“. Außer Aufmerksamkeit erregt die Knut- scheinlage allerdings wenig. Dafür provoziert sie die Frage: „Ist Britney lesbisch?“
Plötzlich purzeln die Männer und fallen die Hüllen. Etliche angebliche Affären relativieren die Legende vom Unschuldslamm, bis die damals 21-Jährige zugibt, seit Jahren einen Freund zu haben. Der heißt Justin Timberlake, ist auch erfolgreich in Sachen Pop, und verkündet zu den Themen Britney und Jungfräulichkeit: „Oops! I did it (again and again)“. Britney bestätigt erst, dementiert aber später. Zumal auch andere auftauchen, die behaupten, das gewisse Eine mit Britney getan zu haben. „Ich werde erwachsen und kann nicht ewig mit Puppen spielen“, entgegnet die Sängerin den über ihren partysüchtigen Lebenswandel erhitzten Gemütern.
Außerdem beichtet Spears Drogentrips und lässt die Hüllen fallen für Magazine wie „Rolling Stone“, „Elle“und „Esquire“. Um hinterher gleich wieder alles zu bereuen. Typisch für ihren öffentlichen Umgang mit Sex, für ihr Wechselspiel vonVerheißung und Verklemmtheit.
Nach dem Absturz tritt Spears die Flucht nach vorne an – und nennt ihr fünftes Abum frech „Blackout“. Private Katastrophen, peinliche Medien-Exzesse, alles dient als Songmaterial. Sie bemüht das Bild vom All-American-Girl, handfest, schlagfertig, großherzig, aber durch den Rummel vom Wege abgekommen. Singt von den täglichen Dramen, ihrem schlechten Medien-Karma und von ihrer gescheiterten Ehe mit Kevin Federline. Ihre Botschaft lautet: Ich bin eine von euch.
Natürlich ist das zum großen Teil Design, aber nicht nur. Spears hat mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft, unzählige Preise eingeheimst und ist damit eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des Planeten. Aber sie ist jemand mit einer Geschichte. Mit Schwächen. Mit Kampfgeist. Mit Überlebenswillen. Spears ist es gelungen, glaubwürdig zu werden.Viel mehr geht nicht.