Wohin rollst du, Äpfelchen . . .
In dem Gesuch darfst du aber nichts davon erwähnen, dass du seit Jahren ohne Posten bist. Gleit’ darüber hinweg, das könnt’ auf die Leute einen schlechten Eindruck machen. Ist es wirklich so schwer, im Ausland was zu finden?“
„Ich hab’ mich niemals lang an einem Ort aufgehalten“, gab Vittorin zur Antwort. „Du weißt ja, – ich bin ein Vagabund und Nichtstuer. Der Ebenseder hat es gesagt, es muss also wahr sein.“
„Was der sagt, kann dir ganz gleichgültig sein“, meinte Oskar. „Ich mag ihn genausowenig wie du. Ich hab’ der Lola oft genug gepredigt: Nimm’ ihn nicht. Heirat’ ihn nicht. Aber damals, wie sie den Vater in Pension geschickt haben – ,was bleibt mir denn übrig?’ hat sie gesagt. ,Ich muss doch an den Vater und an Vallys Zukunft denken.’ Für den Vater ist ja nun wirklich gesorgt, das, was er hier und da mit seinen kleinen Geschäften verdient, das bleibt ihm als Taschengeld. Und die Vally studiert am Konservatorium. Schlecht ist er ja nicht, nur unsympathisch. Vielleicht hat ihn die Lola heute sogar gern, bei den Frauen kann man das nie wissen.“
Da war das Haus. Ein Haus wie jedes andere. Rechts vom Eingang hatte ein Glasermeister seinen Laden, links befand sich ein Blumensalon und eine Geschäftsstelle der Klassenlotterie. Ein kleines Porzellanschild zeigte an, dass im Hochparterre ein Spezialist für innere Krankheiten ordinierte. Eine alte Frau mit einer Einkauftasche stand unter einem geflickten, baumwollenen Regenschirm und lockte einen kleinen schwarzen Hund an sich, der sich mit anderen Hunden in der Mitte der Straße herumtrieb. Von einem Streifwagen wurden Fässer abgeladen. Vittorin war stehengeblieben. „Schreibst du das Gesuch heute noch?“fragte Oskar. „Das weiß ich nicht.“„Wenn ich’s heute noch bekäme, dann könntest du dich vielleicht schon morgen oben vorstellen.“
„Ich halte es für besser, vorläufig keine Pläne zu machen“, sagte Vittorin.
„Am Ersten könntest du die Stelle antreten.“
„Es ist ganz ungewiss, wo ich am Ersten sein werde.“„Seh’ ich dich heute noch?“„Auch das kann ich dir nicht sagen.“
Oskar blickte beunruhigt den Bruder an.
„Willst du dich nicht von mir begleiten lassen?“schlug er dem Bruder vor. Vittorin schüttelte den Kopf. „Nein. Dort hinauf muss ich allein gehen. Bei dieser Sache kann mir kein Mensch helfen.“
„Dann bleib’ ich hier“, erklärte Oskar. „Nach Hause geh’ ich nicht. Ich setze mich dort hinüber in das Kaffeehaus.“
„Schön“, sagte Vittorin. „Aber wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, dann brauchst du nicht länger auf mich zu warten.“
„Was heißt das?“rief Oskar. „Ich versteh’ dich nicht. Was hast du eigentlich vor? Ich will dir etwas sagen:Wenn du in einer halben Stunde nicht zurück bist, dann geh’ ich hinauf und schau’, was mit dir los ist.“
„Das kannst du tun“, sagte Vittorin.
Er sah wie in einer Vision das Bild der verwandelten Straße. Alle Fenster waren geöffnet, Köpfe beugten sich hinaus, vor dem Haus drängte sich die Menge. In der Toreinfahrt stand ein baumlanger Polizist und ließ niemanden ein.
Weitergehen! Nicht Stehenbleiben! – Was ist geschehen?
ERPELINO