Rheinische Post Kleve

Der Zauber verlassene­r Orte

Die Fotoausste­llung „Metamorpho­sen unserer Zeit“in der Uedemer Hohen Mühle verzeichne­t zurzeit hohe Besucherza­hlen.

- VON ANTJE THIMM

UEDEM Sonnenlich­t fällt durch das Fenster auf den Esstisch, der noch gedeckt ist wie zu einem späten Frühstück. Schutt liegt auf schwarz-weißen Bodenflies­en, abgefallen von der Decke. Im Fenster hängen Spinnweben, die das Licht brechen: hier wohnt schon lange niemand mehr, jedoch ist das Leben, das hier einmal stattgefun­den hat, festgehalt­en in der Fotografie.

Michael Roettgerdi­ng fand diesen Raum in einem verlassene­n Bauernhof in Belgien und nannte das Foto „sunday morning“. Es ist Teil der Ausstellun­g „Metamorpho­sen unserer Zeit. Fotoausste­llung verlassene­r Orte weltweit“, die noch bis zum Sonntag, 26. August, in der Hohen Mühle in Uedem zu sehen ist. Etwa 80 Fotografie­n von Kai-Patric Fricke und Michael Roettgerdi­ng zeigen „lost places“– verlassene Orte, die noch die Spuren der Menschen, die dort wohnten, lebten und arbeiteten, zeigen.

„Wir hatten vom ersten Tag an einen sehr erfreulich­en Besucherzu­spruch. Die Ausstellun­g ist ein Glücksfall“, sagt Michael Lehmann, Vorsitzend­er des Heimat- und Verkehrsve­reins Uedem. Während der Öffnungsze­iten sind die beiden Künstler anwesend und laufend im Gespräch mit den Besuchern. Sie erzählen, wie sie die Orte fanden, wie sie dorthin kamen.

„Green Temple“zum Beispiel heißt das Foto einer Kirchenrui­ne aus dem Jahre 200 nach Christus. Kai-Patric Fricke fand sie in Armenien an einem sehr unzugängli­chen Hang. „Wir mussten zuletzt fast vier Stunden zu Fuß steigen“, berichtet der Fotokünstl­er, der gerade die Länder bevorzugt, über die man wenig weiß. Auf dem Foto schimmert der Grünspan, der auf den Mauern liegt, unwirklich. Dieses magische Licht leuchtet auf vielen der ausgestell­ten Exponate, die zahlreiche­n Besucher sind sichtlich fasziniert vom Blick in die Vergangenh­eit menschlich­en Lebens. Die Mauern der Gebäude sind rissig, durch Böden wächst Farn, Wind hat Laub durch offene Fenster geweht. Steintrepp­en führen ins Nichts. Die Natur überwucher­t alles, wie auf dem Foto „jungle dance hall“, das einen Tanzsaal zeigt, dessen Stuckdecke eingebroch­en ist und in dem das Licht von oben eine ganz besondere Beleuchtun­gsszenerie erschafft. Neben jedem Bild kann der Betrachter in einem kurzen Text lesen, wo das Foto gemacht wurde und was den Fotografen daran fasziniert­e.

„Jeder verlassene Ort hat eine Geschichte, eine vergangene Lebenswelt, die wir zeigen möchten“, sagt Michael Roettgerdi­ng. Er lebt in Wülfrath bei Wuppertal und kam als Quereinste­iger schon früh zur Fotografie. Er sei fasziniert von den Möglichkei­ten der digitalen Technik und sein Schwerpunk­t liege auf der Bearbeitun­g und Gestaltung der Fotos. „Wir sind auch Zeitzeugen“, sagt Kai-Patric Fricke. Der 29-Jährige wuchs im Ruhrgebiet auf, machte sich zunächst mit einem „Tom-Tom“auf zu verlassene­n Zechen und Fabrikgebä­uden. Er gründete 2005 die Internetpl­attform „lost-places.com“. Auch verlassene Industrieg­ebäude sind seine Motive, zum Beispiel das über 100jähige Wasserwerk in Krefeld. „Wir möchten auch eine Schönheit festhalten, die allmählich schwindet“, sagt er.

Inzwischen sind insgesamt fünf Künstler unterwegs zu den verlassene­n Orten der Menschenwe­lt und nennen sich „fineART365“. Gerne stellen sie auch an besonderen Orten aus. Die Uedemer Hohe Mühle zum Beispiel war auch einmal ein „lost place“, dies beweist ein Foto vor der Renovierun­g und Herrichtun­g zum Museum, das gleich im Eingangsbe­reich hängt. Es zeigt die Mühle als Ruine, Pflanzen wuchern, das Gebäude ist unbelebt. „Dieses Foto ist die Brücke zu unserer Ausstellun­g“, so Fricke.

Am 25. und 26. August ist die Ausstellun­g noch zu sehen. Öffnungsze­iten sind von 14:30 Uhr bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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RP-FOTOS: EVERS Michael Roettgerdi­ng und Kai-Patric Fricke.

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