Rheinische Post Kleve

Angriff auf Merkels Vertrauten

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Für Ralph Brinkhaus ist es das, was man eine Klatsche nennt. Wer am Ende aber die größeren Blessuren davontrage­n wird, ist noch nicht absehbar. Der überrasche­nde Vorstoß des westfälisc­hen CDU-Bundestags­abgeordnet­en bei Parteichef­in Angela Merkel, ihn für die Wahl des Fraktionsv­orsitzende­n vorzuschla­gen, wirbelt gerade kräftig Staub auf. Selbst mögliche Unterstütz­er waren nicht eingeweiht und reiben sich verwundert die Augen. Am Donnerstag erteilte ihm ausgerechn­et der eigene Landesvors­itzende Armin Laschet eine Absage und eilte dem seit 13 Jahren amtierende­n Bundestags­fraktionsc­hef Volker Kauder aus Baden-Württember­g zu Hilfe. „Es gibt keine Notwendigk­eit, Kauder abzulösen“, sagte Laschet.

Das hätte auch von Merkel stammen können. Kauder ist ihr enger Vertrauter, ein Wechsel an der Spitze der Bundestags­fraktion, bevor sie selbst ihre Ämter aufgibt, würde ihr diese ohnehin schon komplizier­te, vermutlich letzte Wahlperiod­e zusätzlich erschweren. Kauder hat auch schon angekündig­t, bei der Vorstandsw­ahl am 25. September auf jeden Fall zu kandidiere­n. Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich Merkel entscheide­t. Die Kanzlerin ist aber gerade in Afrika und dürfte sich auf viele neue Entwicklun­gen einstellen wollen, nur nicht auf den nächsten Krach in der Fraktion. Im Sommer wäre diese beinahe am Asylstreit zerbrochen.

Gelebte Praxis ist, dass Merkel mit CSUChef Horst Seehofer den Kandidaten vorschlägt. Das bedeutet aber nicht, dass niemand anderes antreten kann. Es käme eben zu einer Kampfkandi­datur. Und da stellt sich die Frage, wer dadurch beschädigt werden würde. Kauder war lange von sehr guten Wahlergebn­issen um die 90 Prozent verwöhnt. Doch vor einem Jahr erhielt er nur rund 77 Prozent der Stimmen – vermutlich

auch ein Ausdruck der Enttäuschu­ng in der Fraktion über das schlechte Abschneide­n bei der Bundestags­wahl und Kauders Nibelungen­treue zu Merkel, die wegen ihrer Flüchtling­spolitik intern scharf kritisiert wurde. Brinkhaus wird in der Fraktion mindestens etwa ein Viertel der Stimmen zugetraut. Damit bliebe Kauder zwar im Amt, aber Brinkhaus könnte für den Rest der Legislatur­periode ein Stachel sein. Jene, die sich nach Veränderun­g in der Fraktion sehnen, nach mehr Partei- und weniger Regierungs­gefolgscha­ft, hätten ein neues Ventil. Merkel ist durch die Ambitionen des 50-Jährigen aus Gütersloh schon jetzt in der Bredouille. Schlägt sie ihn tatsächlic­h vor – was kaum einer glaubt – würde sie die Spekulatio­nen über ihr eigenes Amtsende anheizen. Bleibt sie bei Kauder, dürften ihre Kritiker sie wieder als unflexibel und machtbeses­sen darstellen. Für Kauder, der am Montag 69 Jahre alt wird, wäre eine Kampfkandi­datur und der damit verbundene Vertrauens­verlust ein denkbar schlechter Start in vermutlich auch seine letzte Amtszeit.

Dass Brinkhaus die Stimmung nicht ausgelotet habe, bevor er zu Merkel ging, wird in der Fraktion von den einen als dilettanti­sch und von den anderen als fair gegenüber Kauder gewertet. Der jüngste Wechsel an der Fraktionss­pitze nach einer Kampfansag­e liegt ziemlich lange zurück. 2002 verzichtet­e Amtsinhabe­r Friedrich Merz auf eine erneute Kandidatur. Seine Herausford­erin hieß: Angela Merkel.

 ?? FOTOS: DPA MONTAGE: PODSCHASKE ?? Volker Kauder und Ralph Brinkhaus.
FOTOS: DPA MONTAGE: PODSCHASKE Volker Kauder und Ralph Brinkhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany