Rheinische Post Kleve

Bangen um Fords Entwicklun­gszentrum

Der Autokonzer­n verdient in Europa praktisch kein Geld mehr – jetzt sind mehr als 20.000 Jobs bedroht. Die IG Metall ist nervös, ein Experte sieht Gefahren gerade für den Standort in der Domstadt.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Der US-Autokonzer­n Ford könnte bis zu 24.000 Stellen in Europa streichen. Dies berichtet die britische Zeitung „Sunday Times“unter Verweis auf die Studie einer Bank. Die Europazent­rale in Köln bezeichnet den Bericht zwar als Spekulatio­n, erklärt aber, ein Umbau sei geplant, um eine operative Gewinnmarg­e von sechs Prozent zu erreichen. Im ersten Halbjahr erreichte Ford in Europa mit 54.000 Mitarbeite­rn aber nur eine Marge von 0,3 Prozent, im zweiten Quartal wurden rote Zahlen geschriebe­n. „Wir sind extrem unzufriede­n“, erklärt Jim Hackett, Vorstandsc­hef von Ford.

„Die US-Zentrale kann die schlechten Zahlen in Europa nicht weiter hinnehmen“, sagt Automobile­xperte Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule Bergisch Gladbach. „Ford steht mit dem Rücken zur Wand“, so der Wirtschaft­sprofessor Ferdinand Dudenhöffe­r. Er meint, dem US-Konzern fehle in Europa mit 1,044 Millionen verkauften Wagen die kritische Masse, um gegen den Giganten Volkswagen mit mehr als 3,7 Millionen verkauften Autos in Europa, um gegen Renault-Dacia (1,6 Millionen) oder auch den neuen Riesen Peugeot-Citroen-Opel (2,5 Millionen) standzuhal­ten.

Als Ausweg für Ford in Europa hält er eine Kooperatio­n mit Fiat-Chrysler oder Renault-Dacia für gut denkbar, um „gemeinsam auf höhere Stückzahle­n zu kommen“. Insbesonde­re Stellen beim Entwicklun­gszentrum Euro pro verkauftem Wagen im ersten Halbjahr 2018 in Köln seien dann bedroht: „Das eigenständ­ige Entwickeln von Autos fast nur für Europa ist relativ gesehen zur verkauften Stückzahl sehr teuer. Also muss Ford auch an diesen Kosten sparen – am besten durch eine Kooperatio­n, möglicherw­eise auch durch einen Verkauf oder Teilverkau­f des Europa-Geschäftes.“Vorbild könne sein, wie General Motors Opel an Peugeot-Citroën abgab. „Die sind nun wettbewerb­sfähiger.“

Dabei zeichnen sich Teile des Umbaus ab. Ford und VW wollen Nutzfahrze­uge gemeinsam für Europa entwickeln und bauen – ein Teil der Produktion könnte dabei von einem Ford-Werk in der Türkei übernommen werden. Thomas Sedran, Leiter der Nutzfahrze­ugsparte von VW, sagt: „Wir würden das natürlich auch allein schaffen und immer noch Geld verdienen. Aber in einer Partnersch­aft funktionie­rt es besser.“Allerdings erklärt der Betriebsra­t von VW, er würde der Kooperatio­n nur zustimmen, wenn die Jobs im Transporte­r-Werk in Hannover nicht gefährdet würden.

Angesichts des allgemeine­n Umbaus ist auch die Belegschaf­t nervös. „Wir sind beunruhigt“, sagt Dieter Kolsch, erster Bevollmäch­tiger der IG Metall in Köln. Er weist darauf hin, dass Ford größter privater Arbeitgebe­r der Domstadt mit 18.500

Mitarbeite­rn ist, in Saarlouis arbeiten mehr als 6000 Beschäftig­te. Kolsch: „Die Kostenprob­leme sind bekannt. Nun müssen Geschäftsf­ührung und Betriebsra­t gemeinsam Lösungen finden, um die Ausgaben zu senken, ohne Arbeitsplä­tze zu gefährden.“Er sieht das Werk in Köln und das in Saarlouis nicht als gefährdet an, weil riesige Beträge in die Produktion des neuen Fiesta in Köln und des neuen Focus in Saarlouis gesteckt worden seien.

Auch das Management in Deutschlan­d will die Standorte halten, doch auf einer Betriebsve­rsammlung sprach Deutschlan­d-Geschäftsf­ührer Gunnar Herrmann laut einem Medienberi­cht einen wunden Punkt an. Die Abwesenhei­tsquote im Kölner Werk liege mit 11,8 Prozent viel höher als bei vielen anderen Firmen. IG-MetallMann Kolsch sagt: „Wir müssen das Gesundheit­smanagemen­t verbessern. Davon profitiere­n Unternehme­n und Beschäftig­te.“

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QUELLE: CAR-CENTER AUTOMOTIVE RESEARCH, UNIVERSITÄ­T DUISBURG-ESSEN | FOTO: DPA | GRAFIK: PODTSCHASK­E Operative Gewinne der Autobauer

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