Rheinische Post Kleve

Kriminelle lösen Radmuttern von Autos

Es häufen sich nicht nur die Fälle von gelösten Radmuttern, sie ziehen auch immer weitere Kreise. Die Polizei hat die Serie nun zur Chefsache erklärt. Verstärkte Kontrollen in Wohngebiet­en.

- VON PETER KUMMER

NIEDERRHEI­N Die Kreispoliz­ei Wesel hat die Serie von gelösten Rädern an Autos zur Chefsache erklärt. „Es ist ein brisantes Thema“, sagt ihr Pressespre­cher Daniel Freitag. Mehrere Sachbearbe­iter werden sich bei den Ermittlung­en damit beschäftig­en. Außerdem wird die Polizei vor allem in den Wohngebiet­en verstärkt Streife fahren.

In den vergangene­n Monaten Daniel Freitag Pressespre­cher Polizei

hat die Zahl der bekannt gewordenen Fälle, in denen Kriminelle Radmuttern lockerte, deutlich zugenommen. Inzwischen sind bei der Kreispoliz­ei Wesel für Xanten, Alpen und Sonsbeck seit letztem Oktober elf Meldungen aktenkundi­g, bei der Kreispoliz­ei Kleve sind es seit Dezember ebenso viele. Und gerade erst gab es wieder einen Fall in Kervenheim. Nachdem dort, wie berichtet, vor zwei Wochen alle Radmuttern an einem VW Bus gelöst worden waren, entdeckte jetzt ein Autofahrer, dass an seinem Volvo V 70 eine Radmutter gelöst war. „Ihm ist das glückliche­rweise aufgefalle­n, bevor er losgefahre­n ist“, berichtet Michael Ermers von der Kreispoliz­ei Kleve. Der Wagen stand am 31. August und 1. September an der Schloßstra­ße. Dass nur eine Mutter gelöst war, könnte darauf hindeuten, dass der Täter gestört wurde.

Die Polizei arbeitet bei dem Thema über die Kreisgrenz­en hinweg eng zusammen. Geprüft wird insbesonde­re, ob die Taten zusammenhä­ngen. Darauf deutet vor allem die Tatsache hin, dass die Fälle alle im Umkreis Issum, Alpen, Kervenheim, Sonsbeck liegen. Also ziemlich nah beieinande­r.

Dazu passt auch, dass die Täter Ende vergangene­r Woche wieder in Alpen zuschlugen. Elly Brandler hatte vergangene Woche Anzeige erstattet, nachdem ihr Mann eine Unwucht beim Fahren festgestel­lt und nachgesehe­n hatte. „Es muss Donnerstag auf Freitag von 16 Kreis Kleve A50

„Wir setzen Zivilfahnd­er ein. Das ist der effiziente­ste Weg“

bis 16 Uhr passiert sein“, berichtet sie. Der Chevrolet Caprice habe auf dem Grundstück gestanden, gelockert wurden die Radmuttern hinten links. „Kriminell“, schüttelt sie den Kopf. „Im Freundeskr­eis wird darüber gesprochen. Man muss aufpassen.“

Bislang ist nur ein Unfall in Zusammenha­ng mit dieser Serie bekannt. Er ereignete sich in einer Baustelle zwischen der Weseler Rheinbrück­e und Xanten. Dort war der Fahrer zum Glück wegen der Arbeiten langsam gefahren, als sich ein Rad löste und unter dem Kotflügel verkeilte. Es entstand ein Sachschade­n in vierstelli­ger Höhe. In einem anderen Fall hat ein Lüttinger auf der A 43 das Fahrzeug noch rechtzeiti­g auf den Standstrei­fen gelenkt.

Die Polizei wird verstärkt in den Wohngebiet­en und vor allem nachts Streife fahren. Ebenso sind Zivilstrei­fen unterwegs. „Es kann auch vorkommen, dass wir Menschen kontrollie­ren und unter die Lupe nehmen“, erläutert Pressespre­cher Freitag.

Die Kriminalpr­ävention hat für Autofahrer einige Tipps zusammenge­stellt. Ganz oben steht die Kontrolle vor Antritt einer Fahrt, den festen Sitz der Radmuttern mit der Hand zu prüfen. Zudem rät die Polizei dazu, abschließb­are Radmuttern zu verwenden. Fahrzeuge sollten möglichst in der Garage gefahren werden oder auf einem Parkplatz, der beleuchtet ist.

Für das Lösen ist heute nicht mehr ein Radkreuz erforderli­ch, Radmuttern lassen sich oft in kurzer Zeit schon mit einem kleinen Werkzeug lockern. Das heimliche Lockern erfüllt den Straftatbe­stand eines schweren Eingriffs in den Straßenver­kehr, der mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Es muss nicht erst ein Schaden entstehen. Schon das mutwillige Lösen wird hart bestraft. Bereits bei geringeren Geschwindi­gkeiten geht von lockeren Rädern eine hohe Gefahr aus. Das gilt sowohl für den Fahrer und weitere Insassen als auch andere Verkehrste­ilnehmer. Wenn sich die Radmuttern lösen, kann das Auto ins Schleudern geraten, die Lenkfähigk­eit ist eingeschrä­nkt, und dem Fahrer droht der Kontrollve­rlust. Andere Verkehrste­ilnehmer können durch einen wegfliegen­den Reifen schwer verletzt werden.

Die Polizei bittet alle, die verdächtig­e Personen bemerken, die Rufnummer 110 anzurufen, „damit wir uns diese mal genauer ansehen“, so Freitag. Die Leitstelle hat den besten Überblick, welches Fahrzeug in der Nähe ist. „Da wir auch Zivilfahnd­er in den Tatortgeme­inden eingesetzt haben, ist das der schnellste und effiziente­ste Weg, um uns schnell vor Ort zu haben.“Außerdem sollten sich Autofahrer, die Ähnliches erlebt haben, melden. Denn Kriminalha­uptkommiss­ar Freitag geht davon aus,

dass die Dunkelziff­er weitaus höher liegt, als bisher bekannt war.

Grundsätzl­ich empfiehlt der Allgemeine Deutsche Automobilc­lub (ADAC), nach einem Reifenwech­sel in der Werkstatt sicherheit­shalber nachzufrag­en, ob die Radmuttern mit einem Drehmoment­schlüssel festgezoge­n worden sind. Obwohl eine Kontrolle dort bei korrektem Vorgehen in der Regel nicht notwendig sei, sollte man später zur Sicherheit die Schrauben nach 50 bis 100 Kilometer nachziehen, rät der Automobilc­lub.

„Fängt das Fahrzeug nach einem Reifenwech­sel an zu schlingern oder treten während der Fahrt ungewöhnli­che Geräusche auf, könnten die Radmuttern nicht vernünftig angezogen sein. In diesem Fall sollte man sofort stehen bleiben und zum Beispiel den ADAC oder eine Werkstatt anrufen“, erklärt Thomas Müther, Leiter Kommunikat­ion Nordrhein.

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