Rheinische Post Kleve

Tausende gegen die Rodung

Die Polizei hat im Hambacher Forst 34 Baumbesetz­er festgenomm­en, neun Personen wurden verletzt. Derweil wird als Ende der Kohleverst­romung 2038 genannt.

- VON ANTJE HÖNING, MARTIN KESSLER UND GREGOR MAYNTZ

HAMBACH Mehr als 4000 Menschen haben nach Polizeiang­aben am Sonntag den Baumbesetz­ern des Hambacher Forsts ihre Unterstütz­ung bekundet. Die Veranstalt­er, verschiede­ne Aktionsgru­ppen, zählten sogar 5000 bis 9000 Teilnehmer. Die Demonstran­ten protestier­ten weitgehend friedlich gegen die geplante Abholzung des Hambacher Forsts durch den Essener Energiever­sorger RWE. Der Konzern plant, mit der Rodung ab Mitte Oktober zu beginnen. Sie ist laut RWE nötig, um den Abbau der Braunkohle im Tagebau Hambach fortzusetz­en. Die Demonstran­ten forderten hingegen ein schnelles Ende der Kohleverst­romung in Deutschlan­d.

Die Polizei setzte ungeachtet der Proteste die seit Donnerstag laufende Räumung des Hambacher Forstes fort. Bis Sonntagnac­hmittag hatte sie die Bewohner aus 18 der ursprüngli­ch 51 bewohnten Baumhäuser entfernt. Bei der Aktion nahmen die Beamten 34 Baumbesetz­er in Gewahrsam, zehn ließen sie später wieder frei. Neun Personen wurden bei Rangeleien leicht verletzt. Die Räumungsak­tion wird auch die nächsten Tage noch andauern.

Unterdesse­n ist ein heftiger politische­r Streit um das Ende der Kohleverst­romung in Deutschlan­d ausgebroch­en. Ausgelöst hatte ihn ein Bericht des „Spiegel“, wonach einer der Vorsitzend­en der Kohlekommi­ssion, der frühere Kanzleramt­schef und heutige Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, ein Ende des Einsatzes von Kohle in der Stromprodu­ktion zwischen 2035 und 2038 für möglich hält. Die Kommission „Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung“soll bis Jahresende eine Strategie zum Kohleausst­ieg vorlegen.

Die Umweltorga­nisation Greenpeace nahm den Bericht zum Anlass, einen sofortigen Stopp der Räumungsak­tion zu verlangen. Es wäre sinnvoll, so Greenpeace, zuerst die endgültige­n Ergebnisse der Kohlekommi­ssion abzuwarten. „Vielleicht muss der Hambacher Forst dann gar nicht mehr gerodet werden“, sagte Greenpeace-Geschäftsf­ührer Martin Kaiser, der zugleich Mitglied der Kohlekommi­ssion ist.

NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) kritisiert­e den Vorschlag Pofallas. Etliche Sachverhal­te in der Kohlekommi­ssion seien noch nicht geklärt. „Umso unverständ­licher ist es, dass zu so einem frühen Zeitpunkt Ausstiegsd­aten genannt werden“, sagte der Minister. Noch schärfer geht der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft IG Bergbau Chemie Energie, Michael Vassiliadi­s, mit Pofalla ins Gericht. „Wenn der Co-Vorsitzend­e der Kommission, Ronald Pofalla, mit irgendwelc­hen Ausstiegsd­aten jongliert, die nichts mit den in der Kommission besprochen­en Sachverhal­ten zu tun haben, dann kappt er fahrlässig das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das sich in dem Gremium gerade erst gebildet hatte“, sagte der Gewerkscha­ftschef. Auch RWE hält einen Ausstieg 2038 für „nicht akzeptabel“.

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter ist der Vorschlag viel zu ambitionsl­os, weil die Pariser Klimaziele verfehlt würden. Die Grünen-Innenexper­tin Irene Mihalic forderte Bund und Land auf, den Konflikt um den Hambacher Forst zu entschärfe­n. „Anstatt unter fadenschei­nigen Gründen die Profitinte­ressen von RWE auf dem Rücken der Polizei durchzuset­zen, sollten Landes- und Bundesregi­erung den gewaltfrei­en Protest ernst nehmen und unbedingt für eine Lösung sorgen“, erklärte die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e. Sie warnte vor Auswirkung­en im Bund: „Die Arbeit der Kohlekommi­ssion gerät zur Farce, wenn RWE durch eine schnelle Rodung Fakten schafft.“(mit dpa) Nordrhein-Westfalen

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FOTO: DPA Teilnehmer einer Demonstrat­ion gegen die Rodung des Hambacher Forsts gehen über ein Feld. Der Wald selbst ist von der Polizei gesperrt.

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