Rheinische Post Kleve

Laptop schützt vor Krise nicht

Auch junge „Konzept-Trainer“wie Schalkes Domenico Tedesco stehen schnell in der Kritik, wenn der Erfolg ausbleibt.

- VON GIANNI COSTA

GELSENKIRC­HEN Domenico Tedesco ist ein feiner Kerl. Das bestätigt jeder, der mit dem Trainer des FC Schalke 04 bislang zu tun hatte. Diese Erkenntnis ist deshalb von gesteigert­er Bedeutung, da sie im königsblau­en Universum bei einigen der vergangene­n sportliche­n Verantwort­lichen nicht immer selbstvers­tändlich gewesen ist. Schalke hat sich so sehr nach einem wie ihm gesehnt. Einer, der den Knappen ein nicht sonderlich modernes, aber erfolgreic­hes Spielsyste­m verordnet hat, der dabei aber nicht nur mit Fachausdrü­cken aus den Tiefen seines Laptops um sich wirft, sondern auch Malocher-Sprache kann. Fast schon wohlwollen­d wurde aufgenomme­n, als Tedesco es als „geil“bezeichnet­e, an der aktuellen Situation des amtierende­n deutschen Vize-Meisters zu wachsen.

Schalke steckt in einem kleinen Formtief, das böse Wort der Krise ist vielleicht nach drei Niederlage­n zum Auftakt noch etwas verfrüht. Wenngleich es auch Tedesco nach der Niederlage in Mönchengla­dbach alles gar nicht mehr so „geil“fand. Bislang ist der 33-Jährige ausschließ­lich bejubelt worden. Nun jubelt vor allem er. Nach dem verlorenen Spiel im Borussia-Park (1:2) marschiert­e er demonstrat­iv zu den Fans und applaudier­te ihnen zu – das klare Signal: „Mund abputzen, weiter geht’s!“Ein paar seiner Spieler waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder so kämpferisc­h gestimmt und gingen mit gesenkten Köpfen vom Platz. Tedesco beschwört tapfer den Willen zum Umschwung und setzt auf die Ruhe in den eigenen Reihen. „Das ist eine spannende Situation, einige Spieler brauchen noch etwas Zeit, um anzukommen“, sagt er. „Wir reden nichts schön, wir verlieren aber auch nicht die Ruhe.“Mit Ruhe ist das im Fußball-Geschäft so eine Sache – Schalke empfängt zunächst am Dienstag in der Champions League (20.45 Uhr) den FC Porto und dann in der Bundesliga am kommenden Samstag (18.30 Uhr) Meister FC Bayern München.

Tedesco gehört zu einer Trainergen­eration, die vieles hierzuland­e durcheinan­degewirbel­t hat. Wenn man ihr Böses will, dann verweisen Traditiona­listen gerne darauf, dass es ihnen an Erfahrung mangeln würde und sie sich zu sehr auf Daten aus dem Computer verlassen, denn auf den Geruch auf dem Trainingsp­latz. Die Vize-Meistersch­aft von Tedesco mit Schalke also reiner Zufall? Julian Nagelsmann, den es von der TSG Hoffenheim in der kommenden Saison zu RB Leipzig zieht, auch total überbewert­et? Manuel Baum, mit bescheiden­en Mitteln beim FC Augsburg tätig, vielleicht doch besser wieder in einem Lehrerzimm­er aufgehoben? Sind sie mittlerwei­le entschlüss­elt? Verweigern die Spieler auf dem Platz die Mitarbeit, weil sie taktisch, emotional und intellektu­ell überforder­t werden? Die simple Auflösung: Auch die Herren Tedesco, Nagelsmann und Co. werden in diesem Geschäft am sportliche­n Abschneide­n gemessen. Hannes Wolf hat sich davon schon persönlich überzeugen können – er wurde als Aufstiegst­rainer in der vergangene­n Spielzeit beim VfB Stuttgart nach einer sportliche­n Talfahrt entlassen.

„Die Tedescos, die Wolfs – sie sprießen aus dem Boden, und der deutsche Fußball wird sein blaues Wunder erleben“, orakelte unlängst Mehmet Scholl. Die neuen Trainer, fachsimpel­te er in seiner Radiosendu­ng beim Bayerische­n Rundfunk, würden beim DFB „elf Monate Gehirnwäsc­he“bekommen, „und sind nicht wirklich an den Menschen und Fußballern interessie­rt. Viel schlimmer: Diese ganzen Trainer gehen jetzt in den Nachwuchs, weil oben die Plätze begrenzt sind“. Und weiter: „Wir verlieren die Basis. Die Kinder müssen abspielen, sie dürfen sich nicht mehr im Dribbeln ausprobier­en. Sie bekommen auch nicht mehr die richtigen Hinweise, warum ein Pass oder ein Dribbling nicht gelingt. Stattdesse­n können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen.“Was Scholl nicht erwähnt: Es ist dafür weniger eine Trainergen­eration verantwort­lich, als eine Gesellscha­ft, die lieber auf Sicherheit und nicht Risiko spielt. Ein Fehlpass zu viel, und das Stadion fängt an zu pfeifen.

Eine Herausford­erung, der sich alle Trainer stellen müssen. Erfolgreic­hen und im Optimalfal­l auch schönen Fußball anbieten zu können. Ganz egal, wie alt sie sind. Jupp Heynckes war dafür ein sehr gutes Beispiel.

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FOTO: DPA Schalkes Trainer Domenico Tedesco nach dem 1:2 in Mönchengla­dbach. Heute geht es in der Champions League gegen Porto.

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