Rheinische Post Kleve

Maaßen rückt ins Ministeriu­m auf

Der Verfassung­sschutzprä­sident muss sein Amt aufgeben, darf aber im Innenminis­terium als Staatssekr­etär weiterarbe­iten. Dort verdient er sogar mehr Geld. Die SPD ist entsetzt.

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Der Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz HansGeorg Maaßen muss nach seinen umstritten­en Äußerungen über die fremdenfei­ndlichen Geschehnis­se in Chemnitz seinen Posten räumen. Er soll Staatssekr­etär im Innenminis­terium werden – was formal ein Aufstieg für ihn ist. Auf diese Rochade einigten sich am frühen Dienstagab­end die drei Parteichef­s der großen Koalition, Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD).

„Bundesinne­nminister Horst Seehofer schätzt seine Kompetenz in Fragen der öffentlich­en Sicherheit, allerdings wird Herr Maaßen im Ministeriu­m nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassung­sschutz zuständig sein“, heißt es in einer gemeinsame­n Erklärung, die nach einem zweistündi­gen Treffen der Koalitions­spitzen verbreitet wurde. Die Nachfolge für Maaßen soll erst am heutigen Mittwoch bekannt gegeben werden.

Der niedersäch­sische SPD-Innenminis­ter Boris Pistorius kritisiert­e diese Rochade scharf, obschon seine Parteichef­in den Kompromiss ja mit verhandelt hatte. Er nannte den Wechsel „unverständ­lich und nicht nachvollzi­ehbar“.

Der Streit um den Verfassung­sschutzprä­sidenten hatte die große Koalition erneut in eine existenzie­ll bedrohlich­e Lage gebracht. In Koalitions­kreisen galt es bis zum Spitzentre­ffen als wahrschein­lich, dass der umstritten­e Verfassung­sschutzprä­sident einen neuen Job im Innenminis­terium bekommen solle. Das geschieht nun. Schon in der Position eines Abteilungs­leiters hätte er die gleiche Besoldungs­stufe wie als Chef des Nachrichte­ndienstes erreicht; als Staatssekr­etär wird er deutlich mehr verdienen.

Nachfolger für Maaßen wurden bereits gehandelt. Zu den Kandidaten zählt Maaßens Stellvertr­eter Thomas Haldenwang. Auch Arne Schlatmann, ständiger Bevollmäch­tigter des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums (PKGr), wurde genannt ebenso wie Clemens Binninger, der zu seiner Zeit als CDU-Bundestags­abgeordnet­er Vorsitzend­er des PKGr war. Einzige Frau auf der Spekulatio­nsliste: Beate Bube, Präsidenti­n des Landesamts für Verfassung­sschutz Baden-Württember­g. Als fachlich qualifizie­rt gilt zudem Hans-Georg Engelke, derzeit Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um. Er war früher Abteilungs­leiter im Verfassung­sschutzamt. Über ihn wird als möglicher Nachfolger auch deshalb spekuliert, weil das Innenminis­terium bereits die Rekordzahl von acht Staatssekr­etären hat. Maaßen wäre der neunte.

Im Kern des Streits ging es um Äußerungen des Verfassung­sschutzprä­sidenten zu den Geschehnis­sen in Chemnitz. In einem Interview hatte Maaßen die Echtheit eines Videos bezweifelt, das die Verfolgung von ausländisc­h aussehende­n Menschen durch offensicht­lich Rechtsextr­eme zeigt. Maaßen hatte erklärt, es sprächen „gute Gründe“dafür, dass es sich bei diesem Video „um eine gezielte Falschinfo­rmation handelt, um möglicherw­eise die Öffentlich­keit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. Mit der Einschätzu­ng hatte Maaßen der Kanzlerin widersproc­hen. Später stellte sich heraus, dass der Geheimdien­st-Chef keine Belege für eine Fälschung vorlegen konnte.

Kritik an der Beförderun­g Maaßens hagelte es von allen Seiten. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einer „formelhaft­en Scheinlösu­ng“, Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt von einer „unfassbare­n Mauschelei“.

In einer Telefonkon­ferenz der SPD-Führung nach dem Treffen der Parteichef­s wurde Unmut über die Entscheidu­ng laut. Juso-Chef Kevin Kühnert kritisiert­e Maaßens Beförderun­g in die Bundesregi­erung. „Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag in voller Konsequenz Verantwort­ung für sich und ihr Handeln tragen“, sagte Kühnert unserer Redaktion. Merkels Kanzlersch­aft sei an einem „neuen Tiefpunkt angekommen“. Kühnert stellte die große Koalition erneut infrage: „Wenn die Arbeitsgru­ndlage dieser Koalition nur noch das Befinden der CSU ist, dann muss sich die SPD ganz klar die Sinnfrage stellen: Warum sollten wir jetzt noch Teil dieser Koalition bleiben?“

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FOTO: RTR Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), beobachtet durch ein Fenster des Bundeskanz­leramts.

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