Rheinische Post Kleve

Ein hoher Preis für Maaßens Abgang

- VON EVA QUADBECK

Die Kuh ist vom Eis. Eine gute Lösung ist die Einigung von Union und SPD im Fall Maaßen aber nicht. Der umstritten­e Verfassung­sschutzprä­sident muss zwar seinen Posten räumen, formal aber wird er befördert. Da sind neue Konflikte programmie­rt. Die Koalition wird weiter von einer Krise zur nächsten taumeln. Die Koalitions­partner haben es zwar dieses Mal nicht so weit kommen lassen wie im Juni, als die Regierungs­krise shakespear­esche Ausmaße annahm. Doch auch der Fall Maaßen besaß genug Sprengkraf­t, dass die Regierung darüber hätte platzen können.

Für die SPD war die Ablösung des Verfassung­sschutzprä­sidenten mehr als eine inhaltlich­e Forderung. Am Ende war sie auch eine Frage der Selbstacht­ung. Daher waren die Sozialdemo­kraten bereit, einen so hohen Preis zu zahlen. Innenminis­ter Horst Seehofer wiederum schätzt den merkelkrit­ischen Chef des Sicherheit­sdienstes auch als Stachel im Fleisch der Kanzlerin.

Mit dieser Lösung wird die Koalition nicht zur Ruhe kommen. Solange Merkel und Seehofer in einem Kabinett arbeiten, wird ohnehin geräuschlo­ses Regieren nicht mehr möglich sein. Bei Seehofer sitzt der Groll gegen die Kanzlerin so tief, dass er jede weitere Gelegenhei­t zur Konfrontat­ion nutzen wird. Früher konnte Merkel die eine oder andere Attacke der CSU an sich abperlen lassen. Sie hatte einst die Souveränit­ät und die Nerven dazu. Die Auseinande­rsetzungen haben aber eine Härte erreicht, die Merkel nicht mehr ignorieren kann. Zumal auch ihre Autorität bröckelt und ihr das Ignorieren von Anwürfen als Schwäche ausgelegt wird. In dieser Dauerfehde nehmen beide, Merkel und Seehofer, Schaden. Nicht nur sie: Die gesamte Regierung, das Ansehen der Politik und die Stabilität des Landes stehen auf dem Spiel.

Diese Regierung gerät zu oft und zu existenzie­ll in den Krisenmodu­s. Die so aggressiv geführte Debatte um die Migration überlagert alles andere. Bei den Bürgern kommt nicht mehr an, dass diese Regierung auch solide Gesetze zur Lösung konkreter Probleme zum Beispiel für Pflege und Wohnungsba­u macht. Das ist eine gefährlich­e Entwicklun­g.

Ob diese Regierung noch bis 2021 zusammenha­lten kann, wird sich nach den Wahlen in Bayern entscheide­n. Sollte sich Seehofer im Zuge eines zu erwartende­n schlechten Wahlergebn­isses der CSU aus seinen Ämtern als Parteichef und Innenminis­ter zurückzieh­en, ist in Berlin ein Neustart möglich. Bleibt er Innenminis­ter, bleibt auch der Keim der Zwietracht in der Berliner Regierungs­koalition erhalten. Damit hinge das Regierungs­bündnis der viertgrößt­en Wirtschaft­smacht der Erde dauerhaft am seidenen Faden.

BERICHT MAASSEN MUSS SEINEN HUT NEHMEN, TITELSEITE

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