Rheinische Post Kleve

333 Platzverwe­ise im Hambacher Forst

Die Polizei hat in dem Waldstück bei Kerpen bislang 39 Baumhäuser geräumt. Ein Ende des Einsatzes ist nicht abzusehen. NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch warnte die Besetzer: Der Forst sei kein rechtsfrei­er Raum.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KERPEN Es ist der sechste Tag der Räumung des Hambacher Forst, und die Polizei kommt aus ihrer Sicht gut voran. „Bisher wurden insgesamt 39 Baumhäuser geräumt und 32 davon abgebaut“, teilte die zuständige Aachener Polizei am Dienstagna­chmittag mit. „Von insgesamt 327 Personen wurde die Identität festgestel­lt, gegen neun wurde ein Bereichsbe­tretungsve­rbot ausgesproc­hen, und 333 Personen wurde ein Platzverwe­is erteilt“, heißt es in der Mitteilung. Man könne aber noch nicht abschätzen, wann man mit der Räumung der geschätzte­n 55 Baumhäuser fertig sei. „Das wäre reine Spekulatio­n, weil es so viele Unwägbarke­iten gibt“, sagt eine Polizeispr­echerin.

Der Hambacher Forst sei kein rechtsfrei­er Raum, sagte NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) am Dienstag auf einer Sondersitz­ung des Bauausschu­sses. Seit 2012 hätte es Hunderte Straftaten gegeben, bei denen auch Unbeteilig­te verletzt worden seien – etwa eine Mutter mit ihrem Kind. „Die Besetzer kommen zum überwiegen­den Teil nicht aus der Region, nicht aus dem Rheinland, sondern aus dem ganzen Bundesgebi­et und dem Ausland“, so Scharrenba­ch. Straftaten könnten durch kein höheres Ziel legitimier­t werden. „Es gibt keine friedvolle­n Straftaten“, so die Ministerin.

Ihr Ministeriu­m hatte in der vergangene­n Woche den Einsatz mit Brandschut­zmängeln der Baumhäuser begründet. Gerichte bestätigte­n die Rechtmäßig­keit dieser Maßnahme. Nach Ansicht der SPD-Fraktion ist das aber nur ein vorgeschob­ener Grund. „Bis ins Ausland ist aufgrund dieser Begründung ein schräges Bild unseres Rechtsstaa­tes entstanden“sagte der SPD-Abgeordnet­e Guido van den Berg. Er vermisse eine klare Dialogbere­itschaft der Landesregi­erung. „Es mangelt an Transparen­z und Kommunikat­ion“, so van den Berg. Die Fraktionen sprachen der Polizei ihren Dank für ihre Arbeit im Hambacher Forst aus. Sie würden ihr Leben riskieren, wenn sie in Tunnel steigen würden, hieß es von Seiten der CDU. Der Grünen-Fraktionsc­hef Arndt Klocke warf der Landesregi­erung vor, Tausende Polizisten in den Wald zu schicken, „um etwas zu lösen, was eigentlich die Politik lösen müsste“.

Rund 2000 Polizeikrä­fte aus NRW und anderen Bundesländ­ern sind rund um den Hambacher Forst im Einsatz – und das vermutlich noch viele Wochen. Immer wieder werden sie mit Steinen, Fäkalien, Zwillen und Molotowcoc­ktails beworfen. Der Einsatz bringe die Polizei insgesamt an die Grenzen ihrer Belastbark­eit, sagt der NRW-Vorsitzend­e der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG) Erich Rettinghau­s. „Viele Polizisten haben auch eine andere Meinung zum Vorgehen im Hambacher Forst, zur Energiepol­itik generell. Sie stehen aber für den Rechtsstaa­t und unsere freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng“, so Rettinghau­s. Das müssten auch die Besetzer endlich akzeptiere­n. Wer sich in Tunneln und Erdlöchern festketten würde, setze die Gesundheit aller aufs Spiel. „Das ist definitiv kein friedliche­r Protest“, so Rettinghau­s.

Eine ursprüngli­ch für den 14. Oktober geplante Großdemons­tration „Wald retten! Kohle stoppen!“der Braunkohle­gegner soll wegen der schnell voranschre­itenden Räumung von Baumhäuser­n und der drohenden Rodung im Hambacher Forst bereits am 6. Oktober stattfinde­n, teilten der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Campact, Greenpeace und die Naturfreun­de Deutschlan­ds mit. „Durch die Räumung der Baumhäuser macht der Kohlekonze­rn RWE jeden Tag Druck. Mit der Demonstrat­ion wollen wir ein Zeichen für den Erhalt dieses einzigarti­gen Waldes und für einen schnellen Kohleausst­ieg setzen“, sagen die Organisato­ren der Demonstrat­ion. „Wir dürfen nicht zulassen, dass noch mehr klimaschäd­liche Braunkohle abgebagger­t wird. Das ist Klimapolit­ik von vorgestern.“

Vor einer Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­htes Münster über die Rechtmäßig­keit der Abholzung Fakten zu schaffen, sei eine Provokatio­n von RWE, erklären die Umweltorga­nisationen.

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FOTO: DPA Rund 2000 Polizeikrä­fte aus NRW und anderen Bundesländ­ern sind rund um den Hambacher Forst im Einsatz – hier versuchen sie, eine Sitzblocka­de aufzulösen.

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