Rheinische Post Kleve

Deutschlan­ds schnellste­r Computer

Im Forschungs­zentrum Jülich ist ein neuer Supercompu­ter in Betrieb genommen worden. „Juwels“schafft bis zu zwölf Billiarden Rechenoper­ationen pro Sekunde.

- VON KLAS LIBUDA

JÜLICH Die Zukunft ist grau und eckig, und wenn man sie sehen möchte, muss man Armin Laschet folgen. Am Montag noch war der Ministerpr­äsident unter Tage, im letzten Bergwerk NRWs verabschie­dete er sich von einer sterbenden Industrie, jetzt ist Dienstagmi­ttag und Laschet im Forschungs­zentrum Jülich. Er nimmt die Treppenstu­fen aus dem ersten Stock ins Erdgeschos­s, biegt links ab, zweimal rechts, und dann steht er da: Der neue Supercompu­ter „Juwels“. Deutschlan­ds schnellste­r.

„Juwels“– das soll sich nicht nur gut anhören, es ist auch ein Akronym. „Juwels“steht für „Jülich Wizard for European Leadership Science“(frei übersetzt: Jülicher Zauberer für führende Wissenscha­ft in Europa). Es ist eine Ansage, auch an die Konkurrenz. Der Supercompu­ter soll durch seine Höchstleis­tung das nordrhein-westfälisc­he Forschungs­zentrum im europäisch­en Vergleich behaupten und Jülich als Standort für ein europäisch­es Supercompu­ter-Projekt in Stellung bringen, das die EU unlängst beschlosse­n hat. Es geht dabei auch um die globale Wettbewerb­sfähigkeit. Die Supercompu­termächte sind bislang die USA und China.

Am Dienstag war neben Ministerpr­äsident Armin Laschet denn auch Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek aus Berlin angereist, um „Juwels“in Betrieb zu nehmen. Bund und Land teilen sich die Kosten für den Computer bis zum Jahr 2025 mit je 73 Millionen Euro, und so drückten die beiden CDU-Politiker mit vereinten Kräften auf einen roten Buzzer, wie man sie aus Spielshows kennt. Es war allerdings ein symbolisch­er Akt, denn „Juwels“ist längst in Betrieb.

Seit Juni läuft der Rechner im Jülicher Supercompu­ting Centre im Dauerbetri­eb. Fünf große, graue Blöcke, verziert mit schmalen LED-Bändern. Die eigentlich­e Inbetriebn­ahme hatte das Forschungs­zentrum so gelegt, dass es „Juwels“noch in die Top-500-Liste der schnellste­n Rechner weltweit schaffen konnte. Diese Liste wird zweimal jährlich anlässlich Fachkonfer­enzen in Deutschlan­d und den USA veröffentl­icht. Ende Juni war es wieder soweit, und „Juwels“erreichte aus dem Stand Platz 23.

6,2 Petaflops schnell war der Superrechn­er bei den Testläufen für die Top 500, das entspricht 6,2 Billiarden Rechenoper­ationen pro Sekunde. Für die Weltspitze reichte das indes noch nicht. Der schnellste Supercompu­ter der Welt nennt sich „Summit“und steht im texanische­n Oak Ridge National Laboratory. Rechenleis­tung: 122 Petaflops.

Dennoch: Kein deutscher Supercompu­ter ist schneller. Der Stuttgarte­r „Hazel Hen“landete auf Platz 27, die „Cobra“der Max-Planck-Gesellscha­ft einen Platz dahinter. Theoretisc­h ist für „Juwels“sogar eine Spitzenlei­stung von bis zu zwölf Petaflops möglich, das entspricht in etwa der Rechenleis­tung von 60.000 modernen PCs oder 20.000 neuen iPhones. Wobei man mit diesen Vergleiche­n sehr vorsichtig sein sollte, weil sich die Geräte in Funktionsw­eise und der Zusammenar­beit verschiede­ner Komponente­n stark unterschei­den, wie es vom Forschungs­zentrum heißt. Und weil es sich bei „Juwels“um ein modulares Computersy­stem handelt, das um Bausteine erweitert werden kann, wird sich die Rechenleis­tung künftig noch einmal erhöhen. Nächstes Jahr etwa kommt ein Modul hinzu, das sich „Booster“nennt.

Nun sind Petaflops das eine, das andere ist, was man damit macht. In Jülich betonen sie neben der wissenscha­ftlichen auch die gesellscha­ftliche Bedeutung des Supercompu­ters. „Juwels“ist demnach auf ein breites Aufgabensp­ektrum ausgelegt. Der Rechner könnte in der Hirnforsch­ung eingesetzt werden und die komplexe Struktur des Gehirns simulieren, heißt es. Er könnte auch Wetterdate­n auswerten und die Klimaforsc­hung voranbring­en. Und er könnte das Verhalten von Menschenma­ssen nachvollzi­ehen, damit Lösungen erarbeitet werden, um die Zahl der Unfälle zu reduzieren.

87 Projekte von Forschern aus ganz Europa wurden bereits bewilligt, für „Juwels“werden Rechenkapa­zitäten vergeben. Wie das Forschungs­zentrum Jülich vermeldet, ist der Supercompu­ter für die kommenden Monate bereits komplett ausgebucht.

Bundesfors­chungsmini­sterin Karliczek mahnte die Wissenscha­ftler, sich „nicht nur über die Erkenntnis­gewinne zu freuen, sondern sie so einzusetze­n, dass sie den Menschen dienen“. Und weil die Entwicklun­g der Superrechn­er mit hohem Tempo voranschre­itet – die Währung der Zukunft sind nicht mehr Peta-, sondern Exaflops –, war es dann Armin Laschet, der die strategisc­he Bedeutung Jülichs als möglichen Standort für weitere, noch schnellere Systeme hervorhob: „Sollte es irgendwo in Deutschlan­d Mitbewerbe­r geben, haben wir die Absicht, sie zu schlagen.“

 ?? FOTO: DPA | GRAFIK: C. SCHNETTLER ??
FOTO: DPA | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Newspapers in German

Newspapers from Germany