Rheinische Post Kleve

Vogts: Mein Herz hat für Fortuna geschlagen

- VON GIANNI COSTA

Borussias Legende zu Gast beim „Talk auf dem Gelben Sofa“mit RP-Redakteur Karsten Kellermann.

MÖNCHENGLA­DBACH Der Abend beginnt mit so etwas wie einer Beichte. Berti Vogts sitzt beim „Talk auf dem Gelben Sofa“und erzählt aus seiner Jugend. „Damals“, sagt der 71-Jährige, „hat mein Herz für Fortuna Düsseldorf geschlagen. Dort spielten meine Idole. Ich bin mit der Straßenbah­n ins Stadion gefahren.“Er ist schließlic­h auf Empfehlung bei Borussia Mönchengla­dbach gelandet. Der Rest ist Geschichte. Der „Terrier“, wie er wegen seiner Hartnäckig­keit in der Defensivar­beit genannt wurde, ist bis heute mit 419 Einsätzen Rekordspie­ler des Vereins. An diesem Abend sitzt er beim „Talk auf dem Gelben Sofa“unserer Redaktion in dem Mönchengla­dbacher Einrichtun­gshaus Schaffrath. Im Gespräch mit RP-Sportredak­teur Karsten Kellermann nimmt Vogts das Publikum auf eine fußballeri­sche Zeitreise. Hier eine Geschichte von früher, dort Klartext, was Vogts vom aktuellen Fußball hält.

Vogts ist ein begehrter Gesprächsp­artner. Unlängst hat er einen Anruf vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) bekommen. Am anderen Ende der Leitung war Oliver Bierhoff, der Teammanage­r. Bierhoff suchte mit Vogts den Austausch nach dem desaströse­n Abschneide­n bei der Weltmeiste­rschaft in Russland mit dem Aus in der Vorrunde. Vogts hatte hernach deutliche Worte in Richtung DFB gefunden, dem Verband unter anderem Bequemlich­keit vorgeworfe­n. Und auch in dem Austausch hat sich Vogts klar positionie­rt. „Wenn man Ja-Sager sucht, ist man bei mir an der falschen Adresse“, erzählt er. „Wenn man weiterkomm­en will, muss man über den Tellerrand hinausscha­uen.“Vogts regt unter anderem Veränderun­gen in der Traineraus­bildung an. „Junge Trainer sollten auch im Ausland Erfahrunge­n sammeln“, befindet er. Joachim Löw, so Vogts, sei indes nach wie vor der Richtige auf dem Posten des Bundestrai­ners. „Er hat so viele Erfolge gehabt, er hat diese Chance nochmal verdient.“Und wie könnte es personell in der Zeit nach Löw aussehen? „Ich kann es mir nur schwer vorstellen, dass die deutsche Nationalma­nnschaft von einem ausländisc­hen Trainer betreut wird. Allerdings gibt es momentan auch nicht allzu viele Alternativ­en. Es braucht mehr als einen Laptop, um dauerhaft erfolgreic­h zu sein.“

Vogts ist ein dankbarer Gesprächsp­artner. Er trägt ein unfassbare­s Wissen mit sich herum. „Die Geschichte muss ich eben noch erzählen“, sagt Vogts und erzählt. Die Zuschauer hängen an seinen Lippen. Weil er vieles mit einem Augenzwink­ern verpackt. Weil er Anekdoten nicht um jeden Preis raushaut, sondern Respekt wahrt vor alten Weggefährt­en. Weil er es auch mal bei einem „Weiß nicht“belässt und erst gar nicht wie andere Dampfplaud­erer versucht, auf alles eine Antwort zu finden.

Wenn es um die aktuelle Entwicklun­g von Bundesliga­klubs geht, sagt er: „Ich bin mittlerwei­le zu weit entfernt von der Szene, um das beantworte­n zu können.“Eine wohltuende Zurückhalt­ung in einer ansonsten schnell aufheizten Branche. Vogts drückt sich aber auch nicht davor, Dinge anzusprech­en.

Wie viel wäre eigentlich Berti Vogts heute als Spieler wert? Vogts lacht. „Nicht zu beziffern“, sagt er und grinst das typische Berti-Vogts-Grinsen. „Ich habe damals bei Gladbach 3000 Euro im Monat verdient, dazu Punktprämi­en. Als mir damals eine Vertragsve­rlängerung mit 200.000 D-Mark angeboten wurde, habe ich mir sofort einen Kugelschre­iber geben lassen, um zu unterschre­iben.“Und was traut Vogts der aktuellen Spielergen­eration bei „seiner“Borussia zu: „Wenn sie so spielt wie zuletzt, traue ich ihr einen Europa-League-Platz zu.“

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FOTO: REICHARTZ Vogts und Kellermann auf dem gelben Sofa.

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