Rheinische Post Kleve

Aus Flüchtling­en werden Migranten

Viele Flüchtling­e sind schon recht gut integriert, aber noch haben die Freiwillig­en, die sich um sie kümmern, eine Menge zu tun.

- VON ANJA SETTNIK

GOCH Im Jahr 2015, als so viele Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen, dass seitdem generell von einer „Flüchtling­skrise“die Rede ist, waren die Aktivitäte­n des Runden Tisches allgegenwä­rtig. Es fehlte an Vielem, Ehrenamtle­r besorgten von Babywindel­n über Möbel bis hin zu Freiwillig­en, die bei Ämterbesuc­hen halfen, beinahe alles. Manches hat sich inzwischen eingespiel­t, aber nötig sind profession­elle wie freiwillig­e Helfer noch immer. „Wir brauchen sogar noch mehr Leute“, sagt Pfarrerin Rahel Schaller. Gemeinsam mit anderen Akteuren des „Runden Tisches Goch“informiert­e sie gestern über den Stand der Dinge.

Martin Lersch, Gocher Künstler und ein Mann mit einiger Auslandser­fahrung (er lebte jahrzehnte­lang in Frankreich), berichtete über das Begegnungs­café und das Projekt „stART in Arbeit“. Beide Gruppen treffen sich dienstags nachmittag­s bei der Freien evangelisc­hen Gemeinde an der Mühlenstra­ße. „Anfangs trafen sich da manchmal bis zu 80 Menschen gleichzeit­ig. Das ist jetzt nicht mehr so, und inzwischen ist die ganze Situation entspannte­r geworden. Da geht es eben mehr um Kontakte, um Austausch, um Tipps und Gespräche, nicht mehr so um erste Hilfen beim Ankommen. Was wir jetzt brauchen, sind insbesonde­re Leute mit Fachwissen, die sich zum Beispiel mit Ausbildung auskennen oder einen guten Draht zu Unternehme­rn haben.“Wer helfen möchte, könne sehr gerne an stArt@ feg-goch.de schreiben.

Gesine van der Grinten engagiert sich seit Jahren für die geflüchtet­en Frauen. Jeden Mittwochvo­rmittag trifft sich eine Gruppe im Arnold-Janssen-Haus und ist da gerne ganz für sich. Auch Monika Risse, die Koordinato­rin für Flüchtling­shilfe und Integratio­n bei der Stadt Goch, weiß um die besondere Lage der Frauen: Meist arbeiten sie nicht, sondern kümmern sich um ihre Kinder und sind froh, wenn sie sich beim gemeinsame­n Kochen, Nähen oder Fahrradfah­ren besser kennenlern­en und nicht nur zu Hause sitzen müssen. Die Treffen ohne Männer bedeuteten auch einen wichtigen „Schutzraum“. Radfahren „unterricht­en“übrigens vorwiegend Männer der Verkehrswa­cht des Kreises Kleve: Das geht offenbar prima und zeigt Erfolge. „Viele der Frauen, die das hier gelernt haben, radeln jetzt selbststän­dig durch die Stadt“, freut sich Monika Riße. Wobei ein Betreuer des Kurses darauf aufmerksam macht, dass die Aktion nicht ganz problemlos ist: „Die Verkehrsre­geln müssen auch gelernt werden, und ich fände auch wichtig, wenn die Familien Martin Lersch

In der Flüchtling­shilfe engagierte­r Künstler - nicht zuletzt für ihre Kinder - eine private Haftpflich­tversicher­ung hätten.“Denn wenn es zu kleinen Unfällen oder Beschädigu­ngen komme, laufe das erfahrungs­gemäß leider nicht immer gänzlich konfliktfr­ei ab.

Was Pfarrerin Schaller zu dem Einwurf bringt, dass sicherlich noch nicht alles perfekt funktionie­re und vieles sicherlich seine Zeit brauche. „Mancher wünscht sich, die Integratio­n gelänge schneller, aber man muss auch akzeptiere­n, dass einiges länger dauert.“Viele Angebote liefen inzwischen schon weitgehend in Eigenregie; Flüchtling­e von früher wurden zu Migranten, die jetzt den neu nach Goch Gekommenen helfen. „KuK - Komm und Koch“etwa ist eine solche Gruppe, und auch die Sportproje­kte funktionie­ren gut. „Beispielha­ft ist da der Verein Alemannia Pfalzdorf zu nennen, der für seine Integratio­nsarbeit gerade erst vom Kreissport­bund ausgezeich­net wurde“, lobt die Pfarrerin.

Nicht mehr nötig sei es inzwischen, für Flüchtling­e Möbel zu spenden (die nämlich kaum nachgefrag­t werden). Fahrräder hingegen bleiben wichtig und helfen Kindern wie Erwachsene­n, mobil zu werden. Auch die Hausaufgab­enbetreuun­g, montags im Michaelshe­im (nicht nur für Migranten) und mittwochs im Arnold-Janssen-Haus, sei unverzicht­bar. „Toll wäre, wenn wir Betreuer finden würden, die auch gut Mathe und Englisch können, denn wir haben es ja nicht nur mit Grundschül­ern zu tun“, so Risse.

„Was wir jetzt brauchen, sind Leute mit gutem Draht zu Unternehme­n“

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