RWE-Zulieferer erhalten Drohungen
Die Lage im Hambacher Forst spitzt sich zu: Bei der Räumung des letzten Baumhausdorfes gab es massive Proteste. Mitarbeiter von RWE und Partnerfirmen werden aktuell von Linksextremisten bedroht.
KERPEN Es ist kurz nach neun Uhr am Donnerstagmorgen, als Aktivisten von Greenpeace vor dem Eingang zur Staatskanzlei ein Transparent von einem Vordach runterlassen. „Reden statt roden“, steht darauf. Die Botschaft ist an den Hausherren gerichtet, an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). 30 bis 40 Umweltschützer dringen durch die Vordertür ins Foyer ein und bauen drei Zelte auf. Sie wollen mit Laschet persönlich sprechen. Dazu
„Wir haben in den vergangenen zwei Jahren Hunderte von Anzeigen erstatten müssen“
RWE-Sprecher
kommt es nicht. Nach einem Gespräch mit Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski verlassen sie friedlich das Gebäude. Greenpeace wirft Laschet vor, nichts zu tun, um die schärfer werdende Auseinandersetzung politisch zu lösen.
Die Räumungsarbeiten in dem kleinen Waldstück bei Kerpen gingen dennoch weiter. Unter heftigem Protest wurde mit der Räumung des letzten bekannten Baumhaus-Dorfes begonnen. Mehr als 100 Menschen bildeten eine Menschenkette und leisteten der Polizei energisch passiven Widerstand. Teile der Polizei-Kräfte seien Augenzeugen zufolge dabei rabiat vorgegangen. So wurde eine Frau mit einem Kabelbinder an einen Baum gefesselt. 64 Baumhäuser seien abgebaut, so die Polizei. Das Ende der Räumung kann die Polizei nicht absehen.
Ohne Polizeieinwirkung verletzte sich eine Waldbesetzerin beim Sturz von einer Leiter. Die Frau war Angaben zufolge von einem Baumhaus auf die Leiter getreten, um Kranarbeiten im Zusammenhang mit den Räumungen zu beobachten. Dabei stürzte sie aus etwa sechs Metern Höhe ab. Die Feuerwehr Kerpen erklärte, die Frau sei nach medizinischer Versorgung vor Ort in ein Krankenhaus gebracht worden.
Mitarbeiter von RWE, die rund um den Forst tätig sind, sollen immer wieder beschimpft, bedroht und angegriffen worden sein. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren Hunderte von Anzeigen erstatten müssen, weil es zu Angriffen gegen Mitarbeiter gekommen ist. 35 Kollegen sind in diesem Zeitraum angegriffen und verletzt worden“, sagte ein Konzernsprecher unserer Redaktion. Beschimpfungen und Drohmails gegen RWE-Mitarbeiter und Partnerunternehmen kämen aktuell dazu, so der Sprecher. „Friedlicher Protest gehört zu einer demokratischen Gesellschaft, aber Gewalt und Einschüchterung – das geht zu weit. Das ist kriminell“, so der RWE-Sprecher.
Zum Alltag der RWE-Mitarbeiter vor Ort soll es nach Informationen unserer Redaktion auch gehören, dass die sogenannten Aktivisten die Nummernschilder an den Autos und
Fahrzeugen der Mitarbeiter abfotografieren und in sozialen Netzwerken veröffentlichen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter ist offen dazu aufgerufen worden, Betriebe, die etwa Hebebühnen stellen, telefonisch unter Druck zu setzen und sie aufzufordern, ihre Geräte zurückzuziehen. Selbst der Pressesprecher der Stadt Kerpen soll am Telefon bedroht worden sein.
Die kriminellen Absichten eines Teils der „Aktivisten“wird auf der Webseite „indymedia.org“deutlich. Dort wird offen zu „dezentralen Aktionen“gegen Behörden und Firmen aufgerufen, die mit der Räumung des Hambacher Forsts zu tun haben sollen. Die Seite veröffentlicht „Informationen über mögliche Angriffsziele“. Genannt wird unter anderem namentlich die Firma, die Maschinen für die Waldräumung bereitstellt und „mehrere Standorte in ganz Deutschland hat“. Weiter heißt es dort: „Und auch die ganzen fast leerstehenden Bullenwachen in NRW und anderen Regionen, die Bullen in den Hambi schicken, sollten sich in Acht nehmen. Wie immer: All Cops are Targets („alle Polizisten sind Ziele“).“Für „etwas spezifischere Infos“wird auch das angebliche Nummernschild des Privatwagens eines Polizeipräsidenten genannt. Der Aufruf endet mit den Sätzen: „Habt Spaß und lasst Euch nicht erwischen! Die Erde stirbt nicht, sie wird ermordet, und ihre Mörder haben Namen und Adressen.“
Im Innenausschuss des NRW-Landtags ging es am Donnerstag noch einmal um den Tod eines 27-jährigen Journalisten, der in der vergangenen Woche von einer mindestens 15 Meter hohen Hängebrücke in den Tod gestürzt war. Innenminister Herbert Reul (CDU) schloss eine Mitschuld der Polizei aus: „Den Sturz verantwortet, wer die Brücke gebaut hat.“Seinen Schilderungen zufolge sollen Baumbewohner noch während der Reanimierung des abgestürzten Journalisten mehrfach gerufen haben: „Scheiß drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr!“Auf Twitter widersprachen mehrere „Aktivisten“und eine Journalistin dieser Darstellung.