Rheinische Post Kleve

Merkel: „Tiefgreife­nde Differenze­n“mit Türkei

Turbulenze­n begleiten den Besuch des türkischen Präsidente­n. Eine Massenvera­nstaltung in Köln darf nicht stattfinde­n.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Beim Staatsbesu­ch des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel „tiefgreife­nde Differenze­n“in den Beziehunge­n beider Länder offen angesproch­en und sich zugleich für eine Wiederannä­herung nach jahrelange­r Konfrontat­ion eingesetzt. Bei ihrer gemeinsame­n Pressekonf­erenz ist nur knapp ein Eklat um den im deutschen Exil lebenden türkischen Journalist­en Can Dündar ausgeblieb­en. Dündar hatte sich akkreditie­rt und wollte Fragen stellen. Erdogan soll daraufhin mit dem Boykott der Pressekonf­erenz gedroht haben. Dündar verzichtet­e schließlic­h. Merkel belehrte Erdogan aber, im Kanzleramt herrsche Pressefrei­heit. Dündar steht auf einer Liste von 69 Türken, die Erdogan in Deutschlan­d vermutet und deren Auslieferu­ng er nun verlangt.

Die türkische Führung bemüht sich seit Anfang des Jahres um bessere Beziehunge­n zu Deutschlan­d. Erdogan geht es um Investitio­nen in sein von einer Wirtschaft­s- und Finanzkris­e gebeutelte­s Land. „Wir finden es sehr wichtig, dass wir insbesonde­re im wirtschaft­lichen Bereich mit Deutschlan­d eng zusammenar­beiten zum beiderseit­igen Vorteil“, sagte er. Merkel betonte auch gemeinsame Interessen, zum Beispiel die Nato, Flüchtling­shilfe und Terrorbekä­mpfung. Sie kündigte zudem noch für den Oktober ein Treffen beider Länder mit Russland und Frankreich an, bei dem es um die Lage in Syrien gehen soll.

Für Freitagabe­nd hatte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier zu einem Staatsbank­ett eingeladen, für das er von einer Reihe von Politikern Absagen kassierte. Steinmeier betonte laut Redemanusk­ript, die „Irritation­en der letzten Monate“seien noch nicht überwunden. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung wich Erdogan daraufhin vom vorgesehen­en Manuskript ab und rief Steinmeier zu: „Wir haben doch schon heute morgen darüber geredet!“Deutschlan­d schütze Terroriste­n, und Dündar werde hier „auf dem Silbertabl­ett getragen“.

Nach dem offizielle­n Ende des Staatsbesu­chs will Erdogan am Samstag nach Köln reisen, um die Ditib-Moschee zu eröffnen. Die Behörden untersagte­n am Freitagabe­nd allerdings eine vor dem Gebäude geplante Veranstalt­ung, zu der bis zu 25.000 Menschen erwartet wurden – der türkische Islamverba­nd habe kein akzeptable­s Sicherheit­skonzept vorgelegt. So bleibt es bei der Eröffungsz­eremonie im Innern der Moschee mit geladenen Gästen.

Um das Treffen Erdogans mit NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet gab es ebenfalls ein Zerwürfnis: Es musste ein neuer Ort gefunden werden, nachdem die Eigentümer von Schloss Wahn, das zunächst vorgesehen war, am Freitag vor Gericht erfolgreic­h Einspruch eingelegt haben. Sie lehnen einen Aufenthalt Erdogans in ihrem Schloss aus politische­n Gründen ab. Am Abend gab die Staatskanz­lei bekannt, dass Laschet und Erdogan sich im Empfangsge­bäude der Flugbereit­schaft des Bundesmini­steriums der Verteidigu­ng am Flughafen Köln/Bonn treffen. Der frühere SPD-Chef Martin Schulz forderte Laschet zu klaren Worten auf. „Herr Laschet muss den türkischen Präsidente­n bei der Eröffnung der Moschee in Köln darauf hinweisen, dass Ditib keinerlei Politisier­ung des Islam betreiben darf“, sagte Schulz unserer Redaktion. Andernfall­s „wäre Deutschlan­d gezwungen, Ditib nachrichte­ndienstlic­h zu beobachten“.

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