Unter Büchern
Wir stellen Arbeitszimmer aus dem Kleverland vor. Heute ist es der Raum, in dem der Schreibtisch von Antiquar Helmut van Bebber steht.
KLEVE Der Arbeitsplatz von Helmut van Bebber (63) liegt in einem Hinterhof. Wer zu ihm will, muss zunächst an einem Beerdigungsinstitut vorbei und eine Rampe hoch laufen. Hinter der schweren Schiebetür wartet ein Abstellraum. Das geräumige Lager ist unaufgeräumt. Bananenkisten stehen auf Regalen oder gestapelt davor. Darin ruht Gelesenes und teilweise längst Vergessenes. Van Bebber ist seit mehr als drei Jahrzehnten Antiquar. Vor etwa sechs Monaten ist er in dieses Nutzgebäude gezogen. Vorher lag sein Ladenlokal in einem wunderschönen Haus auf der Herzogstraße. Eigentlich ein Museum. Historisch, mit viel Charme und vollgepackt bis unter die Decke. Der Händler war Teil einer Eigentümergemeinschaft, die das Haus mit Geschichte verkaufte. Jetzt arbeitet er in einem Zweckbau aus den 1960er Jahren mit Neonröhren unter der Decke.
Der 63-Jährige steht in der Mitte des Lagers, schaut sich um, zuckt mit den Achseln und sagt: „Praktisch ist es.“Sein Büro liegt kaum sichtbar am Ende der Regale. Ein acht Quadratmeter großer Raum, in dem jedes Stück Fläche ausgenutzt wird. Der Schreibtisch ist nüchtern, zweckmäßig und war mal ein Esstisch aus den 1950er Jahren. Der Stuhl davor stammt aus einem Frisörsalon aus den 60er Jahren. Ein kleines Preisschild über 65 Euro klebt darauf. Neu ist hier nichts. Eines der Bücherregale vielleicht erst drei, vier Jahre alt. „Billy von Ikea ist ein Klassiker und praktisch“, sagt er. Noch sind Lücken in den Reihen zu sehen, Material dafür besitzt er reichlich. Sein Arbeitszimmer entspricht den Vorstellungen, die man von dem eines Antiquars hat. Es liegt viel herum, und van Bebber erweckt nicht den Eindruck als würde er sagen, morgen räume ich hier auf. Wenn man eine Figur hochhebt oder ein Buch anfasst, kann er eine Geschichte dazu erzählen. Auf der einen Seite spannend, für Außenstehende aufgrund der Vielzahl teilweise verwirrend.
In seinem Büro befinden sich hauptsächlich Bücher. Vergilbte Raritäten aus verschiedenen Epochen strecken den Gästen ihre Buchrücken entgegen. Der leichte Staubmief entfaltet die auratische Wirkung. „Es stehen hier bislang nahezu ausschließlich Kataloge, die ich zur Wertbestimmung oder zeitlichen Einordnung von Werken brauche“, erklärt der Historiker. Für Kunst, über die Jahrhunderte hinweg, ist Spezialwissen erforderlich. Drei dicke Bände mit blauem Buchrücken tragen den Namen „Düsseldorfer Malerschule“. Van Bebber zieht einen heraus und erklärt: „Da sind alle Maler des 19. Jahrhunderts drin, die an der Düsseldorfer Akademie waren oder im Umfeld gelebt haben. Was schwer zuzuordnen ist, findet man hier. Die Bücher haben mehr als 600 Euro gekostet und gibt es heute kaum noch.“Beim Blättern in dem Katalog „Keramik der 50er Jahre“zeigt er gelegentlich auf einige Porzellanstücke, die er einst besaß und ihn faszinierten. Doch ist Romantik ein schlechtes Geschäftsmodell. Van Bebber kann und muss sich aufgrund logistischer und irdischer Zwänge von den Gegenständen trennen. Er hat einen Blick für die Schönheit, ohne sie besitzen zu müssen. Auch wenn das Büro diesen Eindruck nicht vermittelt.
Von einem Bild über dem Schreibtisch herab blicken van Bebber Augen an. Sie gehören zu einem Werk des Klever Künstler Heiner Linne. Auf und neben der Arbeitsfläche steht Kunst und Geschichte. Es gilt sie zu erkennen. Die Schreibtischlampe ist eine Kaiser-Leuchte aus den 1920er Jahren, die Stifte stehen in einem Gründerzeitbecher. „Um 1880. So etwas stand damals als Zierbecher im Schrank“, sagt er. Über der Tür hängt ein Wappenteller von Kranenburg. „Das hat sentimentale Gründe. Ich komme daher.“An Wänden und in Regalen ist noch Luft. Die Arbeitsfläche auf dem Schreibtisch hingegen begrenzt. Helmut van Bebber hat alles zugebaut. Ein Din A 5 Ringbuch mit sich auflösenden Pappdeckeln findet noch Platz in der Mitte. „Hier trage ich meine täglichen Abrechnungen ein. Mein Steuerberater bekommt jedes Mal zu viel, wenn ich mit der Zettelsammlung ankomme.“
Sein jetziges Arbeitszimmer und das Lager haben nichts mehr mit seinem ehemaligen in der Herzogstraße gemein. Doch arbeitet der 63-Jährige immer noch in einem Raum mit reichlich Historie. Im Museum Koekkoek ist er dienstags, mittwochs sowie donnerstags, von 14 bis 17 Uhr, berät und bewertet hier Historisches. Als sein Büro beurteilt er das nicht. Da fehle schon allein ein Schreibtisch. Als Antiquar hat sich Helmut van Bebber einen guten Ruf unter Sammlern und Normalkunden gemacht. Auf der Suche nach einem neuen Domizil ist er in der Halle hinter dem Beerdigungsinstitut gelandet. Positives kann er dem Umzug dennoch abgewinnen. Die Heizung sei intakt.