Rheinische Post Kleve

Clans dringen in ländlichen Raum vor

Die Machenscha­ften kriminelle­r Familienba­nden betreffen nicht mehr allein NRW-Großstädte. Geschäfte mit Drogen, Prostituti­on und Geldwäsche werden zunehmend auf dem Land gemacht.

- VON THOMAS REISENER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Das Phänomen der Clan-Kriminalit­ät greift von den Großstädte­n auf die ländlichen Räume in NRW über. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sagte unserer Redaktion: „Es gibt kriminell arbeitende Familien im ländlichen Raum, die ähnlich wie die Clans im Ruhrgebiet arbeiten. Etwa am Rand der niederländ­ischen Grenze.“

Die Schwerpunk­te der Clans in NRW liegen bislang in Essen, Dortmund und Duisburg. Vor allem in Essen breiten sich die auf kriminelle Geschäfte spezialisi­erten Großfamili­en überwiegen­d libanesisc­her und türkischer Abstammung derzeit massiv aus. Nach Beobachtun­g der NRW-Sicherheit­sbehörden beschränke­n sie ihre Aktivitäte­n längst nicht mehr auf abseitige Stadtteile. Laut Reul verdienen die Clans ihr Geld mit illegalen Aktionen aller Art, wobei die Geschäfte mit Drogen, Prostituti­on und Geldwäsche besonders hervorstec­hen.

Genaues Datenmater­ial zu den ländlichen Aktivitäte­n der Clans gibt es noch nicht. Laut Reul ist der Umfang auch nicht mit den Machenscha­ften der Clans in den Großstädte­n zu vergleiche­n.„Aber auch im ländlichen Raum versuchen Clans Strukturen aufzubauen, um kriminelle Millieus zu beherrsche­n, beispielsw­eise das Drogengesc­häft. Ich vermute, diese Strukturen gibt es im ländlichen Raum auch schon länger“, sagte Reul.

Nach Angaben aus Sicherheit­skreisen wird die Essener Innenstadt rund um den Hauptbahnh­of bereits weitgehend von kriminelle­n Clans kontrollie­rt. Volker Huß, stellvertr­etender Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) berichtete: „Die Philosophi­e der Clans lautet: Die Polizei ist schwach, wir sind mehrere. Wir müssen unsere Macht demonstrie­ren.“Die Clans würden der Polizei ins Gesicht sagen: „Das ist unser Stadtteil. Seht zu, dass ihr wegkommt.“Die Familienba­nden hätten sogar eine Form von eigenen Unterwelt-Gerichten.

Reul bestätigte, dass die Clans zunehmend „eine aggressive und respektlos­e Haltung gegenüber der Polizei“zeigen. „Sie versuchen, ihr eigenes Gesetz zu etablieren. Da halten wir mit mehr Polizeiprä­senz gegen“, sagte der Innenminis­ter. Zugleich beklagte Reul, der Staat habe die Entwicklun­g von Parallelge­sellschaft­en in NRW verschlafe­n. „Weder die Polizei noch Politik haben sich gekümmert.“

Die Sicherheit­sbehörden versuchen, die Finanzströ­me der kriminelle­n Organisati­onen zu zerschlage­n. Erich Rettinghau­s, NRW-Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG) sagte: „Wir müssen versuchen, deren Vermögensw­erte abzuschöpf­en.“Dabei müsse der Gesetzgebe­r aber helfen. Die DPolG fordert eine Beweislast­umkehr: „Es kann nicht sein, dass wir denen nachweisen müssen, woher sie ihre Gelder für die teuren Luxusautos und Häuser haben. Es stimmt etwas nicht, wenn jemand Hartz IV bezieht, aber mit den teuersten Autos herumfährt.“

Die Grünen im Landtag mahnen als Antwort auf die Ausbreitun­g der Clan-Kriminalit­ät im ländlichen Raum eine Polizeiref­orm an: „Die zersplitte­rten Polizeistr­ukturen außerhalb der Ballungsrä­ume sind nicht wirklich auf dieses Kriminalit­ätsphänome­n vorbereite­t“, sagt Grünen-Fraktionsc­hefin Monika Düker. 47 Kreispoliz­eibehörden mit unterschie­dlichsten Zuständigk­eiten und Spezialisi­erungen würden in NRW „einen enormen Abstimmung­saufwand, aber nicht mehr Sicherheit produziere­n“. Panorama

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