Rheinische Post Kleve

Laschets Balanceakt

Das Treffen von NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan war eine heikle diplomatis­che Mission.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

KÖLN Der Händedruck wirkt förmlich. Die Blicke streben auseinande­r, die Mienen sind angespannt. Bei diesem Treffen zwischen NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet und dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan gilt es, die Balance zu wahren – zwischen diplomatis­cher Etikette und demokratis­cher Haltung.

Den Rahmen bestimmt das Protokoll. Und das schnurrt an diesem sonnigen Herbsttag nach Schema F herunter. Als Erdogans türkischer Flieger um 14.15 Uhr mit viertelstü­ndiger Verspätung auf dem Köln/ Bonner Flughafen gelandet ist, erwartet Laschet ihn bereits auf dem Rollfeld. Der rote Teppich ist ausgerollt, 20 NRW-Polizisten bilden links und rechts davon ein Ehrenspali­er. Die Tür neben dem Cockpit öffnet sich, schließt, öffnet sich erneut. Dann tritt Erdogan heraus, neben ihm seine Frau. Hand in Hand steigen die beiden die Gangway hinunter, der türkische Staatspräs­ident behält seine Sonnenbril­le auf.

Gleich nach der Begrüßung geht es weiter zum Empfangsge­bäude im militärisc­hen Teil des Kölner Flughafens. Hunderte von Polizisten eskortiere­n die etwa 20 dunklen Limousinen dorthin – Erdogan ist mit einer ungewöhnli­ch großen Entourage von rund 200 Begleitern angereist.

In einem winzigen Raum, vollgestop­ft mit Ledersesse­ln, findet die Unterredun­g statt. Von deutscher Seite sind außer Laschet auf politische­r Ebene auch Europamini­ster Stephan Holthoff-Pförtner dabei und der Chef der Staatskanz­lei Nathanael Liminski. Erdogan bringt Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu und seinen Botschafte­r mit. Dass die Gespräche in dieser schmucklos­en Umgebung stattfinde­n, ist eine Notlösung. Eigentlich war das repräsenta­tive Schloss Wahn für das Treffen mit dem Staatsgast aus der Türkei vorgesehen. Doch die Eigentümer­familie von Eltz-Rübenach erfuhr davon erst aus den Medien und ließ aus politische­n Gründen am Vortag eilends per Gericht untersagen, dass ihr Eigentum für ein Treffen mit dem türkischen Staatspräs­identen genutzt wird.

Ohnehin hatte es im Vorfeld in NRW viel Kritik daran gegeben, einen Autokraten mit diplomatis­chen Ehren als Staatsgast zu empfangen. Als Armin Laschet nach seinem Gespräch gegen 15.50 Uhr vor die Presse tritt, beginnt er denn auch mit einer Rechtferti­gung: „Je angespannt­er die Zeiten sind, desto wichtiger ist der Dialog, auch der kritische.” Der Empfang entspreche protokolla­rischen Gepflogenh­eiten gegenüber einem vom Bundespräs­identen geladenen Staatsgast, sagt Laschet, und bringt damit indirekt zum Ausdruck, dass damit der Höflichkei­ten dann auch genug ist.

Die Beziehunge­n zwischen den beiden Ländern seien überschatt­et von den inneren Entwicklun­gen in der Türkei, von den Verhaftung­swellen, die auch deutsche Staatsbürg­er beträfen, vom Umgang mit der Presse- und mit der Religonsfr­eiheit. Laschet mahnt Rechtsstaa­tlichkeit an – und bringt beiläufig die wirtschaft­liche Dimension ins Spiel: Eine Normalisie­rung der politische­n Beziehunge­n und Vertiefung der wirtschaft­lichen Beziehunge­n – für die es großes Potenzial gäbe – sei nur unter dieser Voraussetz­ung möglich. Damit trifft er Erdogan an einem schwachen Punkt; seit dem Wertverfal­l der türkischen Lira sind die wirtschaft­lichen Probleme groß.

Was Erdogan ihm erwiderte, überliefer­t Laschet so: Der Präsident habe wie schon in Berlin auf die Unabhängig­keit seiner Justiz verwiesen. Ein sehr konzentrie­rtes und ernsthafte­s Gespräch sei das gewesen, resümiert der Ministerpr­äsident und fügt dann einen dieser diplomatis­chen Sätze an, die ahnen lassen, wie angespannt die Atmosphäre wirklich war: „Ich denke, dass der türkische Präsident signalisie­ren wollte, dass er an einer Verbesseru­ng der Beziehunge­n interessie­rt ist.“Er habe die kritischen Punkte aufgenomme­n und sei in eine Diskussion eingestieg­en.

Zu diesem Zeitpunkt sind über dem Empfangsge­bäude am Flughafen längst zwei Helikopter aufgestieg­en, die zusammen mit zig Polizeifah­rzeugen dafür sorgen sollen, dass Erdogans Staatslimo­usine mit den beiden türkischen Flaggen auf der Motorhaube sicher in Köln ankommt, um die große Ditib-Moschee zu eröffnen. Für jene, die ihm dabei zujubeln werden, hat Laschet auch noch eine Botschaft parat: „Muslime, die in eine Moschee gehen, sind Bürger unseres Landes.“Allerdings: „Wir sind deren Ansprechpa­rtner, nicht der türkische Präsident.“

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FOTO: REUTERS Ein winziger Raum, vollgestop­ft mit Ledersesse­ln: Armin Laschet trifft den türkischen Präsidente­n im militärisc­hen Teil des Kölner Flughafens.

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