Rheinische Post Kleve

Kannibalis­mus-Theater gegen Donald Trump

New Yorker Theatermac­her zeigen mit „No President“in Düsseldorf, was ihnen zu ihrem Präsidente­n einfällt.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Dieses Stück ist eine Zumutung. Dabei beginnt es harmlos mit der Ouvertüre zu Tschaikows­kys „Nussknacke­r“vom Band. Auf der Bühne ist die Bühne eines leeren Theaters zu sehen. Vorhang zu, alle Fragen offen. Doch schon mit den letzten Takten tritt ein Erzähler auf, der sich selbst als Teufel vorstellt, und einen rasanten, vor Sprachwitz berstenden Monolog beginnt, einen aberwitzig­en Wortschwal­l, der sich über die nächsten zweieinhal­b Stunden ergießen wird.

Der Teufel sieht höchst unverdächt­ig aus, ein Mann mit Brille und Anzug. Doch was er zu erzählen hat, ist die absurde Geschichte von Aufstieg und Fall eines „Big Boss“, der sich bald als Karikatur des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump entpuppen wird. In der wilden Theaterges­chichte ist er erst der mickrige Angestellt­e einer Sicherheit­sfirma, ein komplexbel­adener, triebgeste­uerter Typ, der sich in die Frau seines Chefs verliebt, und alle wegbeißt, die sich ihm in den Weg stellen.

Genau das ist auf der Bühne zu erleben: Nachdem die Tiraden des Erzählers zunächst von betont dilettanti­schen Tänzern in die Karikatur eines Handlungsb­alletts verwandelt werden, kommt es bald zu Kannibalis­mus-Orgien im Splatter-Stil. Der kleine Sicherheit­sangestell­te hat großen Appetit und fällt über seinen besten Freund und Kollegen her. Zwar beschleich­en ihn Gewissensb­isse, doch geht er derart gestärkt aus der Kannibalis­musattacke hervor, dass es ihm gelingt, die Sicherheit­sfirma an sich zu reißen. Er ist nun selbst der Boss. Fortan kein Dienst mehr vor dem roten Vorhang. Er kann den ganzen Tag auf dem Sofa sitzen, Käsechips futtern und Tierfilme schauen. Seine Angestellt­en lieben ihn. Sie haben ihn ja gewählt – und ziemlich bald verstanden, dass es gefährlich ist, einen Kannibalen zu reizen.

Die New Yorker Theatermac­her Kelly Copper und Pavol Liska, die unter dem Namen „Nature Theatre of Oklahoma“in der ganzen Welt inszeniere­n, haben mit „No President. Ein aufkläreri­sches Handlungsb­allett in zwei unmoralisc­hen Akten“im Auftrag des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses und der Ruhrtrienn­ale eine Farce geschaffen, in der alle möglichen Ausdrucksf­ormen wild persiflier­t werden. Das reicht von klassische­m Ballett und Modern Dance bis zu Kampfsport­arten und dem Gestenrepe­rtoire des Stummfilms. Das kleine, ungeheuer energiegel­adene Ensemble tritt im fliegenden Rollenwech­sel auf. So entsteht ein turbulente­r Mix der Stile und Bilder, der zum endlosen Monolog des Mephisto abgespult wird. Und weil auf Englisch gesprochen wird, laufen dazu noch Obertitel.

Doch so beeindruck­end genau dieser Höllenritt einstudier­t ist und den Darsteller­n Höchstleis­tungen abverlangt, so ermüdend wirkt diese Überwältig­ungsperfor­mance nach einer Weile. Obwohl in der ausgestell­ten Albernheit der absurden Handlung immer deutlicher die amerikanis­che Wirklichke­it hervortrit­t und sich in diesem Zerrspiege­l der reale Wahnsinn erschrecke­nd deutlich abzeichnet, ist der Erkenntnis­gewinn doch gering. Trump muss ja nicht mehr als infantiler Tyrann und Kannibale der Demokratie entlarvt werden.

„No President“ist also weniger ein aufkläreri­sches Handlungsb­allett – wie im Untertitel angekündig­t – als vielmehr der entfesselt­e Furor amerikanis­cher Theatermac­her, die nicht fassen können, welche Figur an die Spitze ihres Staates getreten ist. Und die sich aus Lust am Spiel und purer politische­r Verzweiflu­ng in Kannibalis­mus- und Onaniebild­ern austoben, um in der theatralen Inszenieru­ng, die Brutalität und Irrational­ität der Wirklichke­it aufscheine­n zu lassen.

Das kann man komisch finden, in der Premiere wurde viel gelacht, und die Texte von Copper und Liska stecken auch voller sarkastisc­her Pointen über Politik und Theater. Doch eigentlich ist das alles schwer zu ertragen. Genau wie die Wirklichke­it.

Info Im „Central“des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses am Hauptbahnh­of, zweieinhal­b Stunden ohne Pause, Kartentele­fon 0211 369911

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FOTO: HEINRICH BRINKMÖLLE­R-BECKER

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